Nachfolgend beschäftigt sich Fachanwalt Strafrecht München Volker Dembski mit den Tötungsdelikten gemäß den §§ 211, 212, 213, 216, 218, 222, 227 StGB.
1. Mord (§ 211 StGB)
Mord ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen, wobei zumindest einer der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Begleitumstände vorliegen muss. Dieses Delikt unterliegt gemäß § 78 Abs. 2 StGB keiner Verfolgungsverjährung. Gemäß § 57a Abs. 1 StGB müssen bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe mindestens fünfzehn Jahre verbüßt sein, bevor die Möglichkeit besteht, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Dies allerdings nur, wenn nicht die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebietet. Außerdem ist wie bei jeder Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung eine günstige Prognose erforderlich. Die besondere Schwere der Schuld muss bereits im Erkenntnisverfahren durch das Schwurgericht festgestellt worden sein. Die Schuldschwere kann unter anderem in der besonders verwerflichen Tatausführung begründet sein. Vor einer Aussetzung holt das Vollstreckungsgericht gemäß § 454 StPO ein Sachverständigengutachten zur Sozial- und Gefährlichkeitsprognose ein. Für die Verwirklichung des Straftatbestandes ist grundsätzlich bedingter Tötungsvorsatz ausreichend, soweit dieser noch mit der Annahme des jeweiligen Mordmerkmals vereinbar ist. Die Mordmerkmale lassen sich in drei Gruppen unterteilen, die an die Beweggründe des Täters oder die Ausführungsarten der Tötung anknüpfen. In der 1. Gruppe sind besondere Motive aufgeführt: Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier oder sonstige niedrige Beweggründe. Die 2. Gruppe enthält besonders verwerfliche Begehungsweisen: heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln. Die 3. Gruppe nennt besondere Absichten: Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat. Liegen mehrere Handlungsgründe vor, ist zuerst derjenige zu ermitteln, der letztlich für den Tatentschluss treibend und handlungsleitend gewesen ist.
a. Heimtücke (§ 211 Abs. 2 StGB)
Ein Täter handelt gemäß § 211 Abs. 2 StGB heimtückisch, wenn er die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglosigkeit ist gegeben, wenn beim Eintritt der Tat in das Versuchsstadium nicht mit einem Angriff auf das Leben gerechnet wird. Allerdings kann auch ein offener Tötungsangriff heimtückisch sein, wenn er so unerwartet erfolgt, dass aufgrund der kurzen Zeitspanne die Möglichkeit zur Gegenwehr ausgeschlossen ist. Gleiches gilt, wenn das Opfer gezielt in einen Hinterhalt gelockt wird. Eine schlafende Person ist arglos, wenn sie ohne Argwohn eingeschlafen ist. Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren oder Bewusstlose können aufgrund ihrer Konstitution nicht arglos sein, es sei denn, es wird die Arglosigkeit einer schutzbereiten dritten Person ausgenutzt. Wehrlos ist, wer in seiner Verteidigung aufgrund der Arglosigkeit zumindest stark eingeschränkt ist. Auf subjektiver Ebene muss der Täter die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit erkannt und ausgenutzt haben. Hierbei hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung die Möglichkeit zur Wahrnehmung. An der nach der Rechtsprechung erforderlichen feindlichen Willensrichtung fehlt es, wenn die Tötung zum vermeintlich Besten des Opfers begangen worden ist. Das Mordmerkmal der Heimtücke ist restriktiv und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientiert auszulegen. Beim Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen tritt an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe ein Strafrahmen zwischen drei und fünfzehn Jahren. Derartige besondere Umstände können vorliegen bei schwerer Kränkung und Provokation durch das Opfer oder bei notstandsähnlichen Situationen. In der Praxis hat diese Rechtsfolgenlösung jedoch nur geringe Bedeutung erlangt.
b. Ermöglichen oder Verdecken einer anderen Straftat (§ 211 Abs. 2 StGB)
Die andere Straftat kann sowohl eine solche des Täters als auch die eines Dritten sein. Ordnungswidrigkeiten sind nicht geeignet. Das zu ermöglichende Verbrechen oder Vergehen muss nicht tatsächlich durchgeführt werden. Beim Ermöglichen genügt es, wenn der Täter die andere Tat durch die Tötungshandlung schneller oder leichter begehen kann. Es reicht aus, dass nicht der Tod des Opfers, sondern die zur Tötung geeignete Handlung als Mittel zur Begehung der weiteren angesehen wird. Die Tötung muss nicht notwendiges Mittel zur Begehung der anderen Straftat sein. Bedingter Tötungsvorsatz reicht daher aus. Bedingter Tötungsvorsatz wird dagegen mit einem Mord zur Verdeckung einer anderen Straftat nur ausnahmsweise in Einklang zu bringen sein. Denn oftmals wird der Tod des Opfers zwingend notwendige Voraussetzung der Verdeckung sein. Ein Verdeckungsmord gemäß § 211 Abs. 2 StGB kann auch durch Unterlassen begangen werden. Wenn der Täter aber mit bedingtem Tötungsvorsatz auf das Opfer eingewirkt hat und anschließend zur Verdeckung des Geschehens untätig bleibt, anstatt das Opfer zu retten, fehlt es an der Andersartigkeit, selbst wenn zwischen Handlung und Unterlassung eine zeitliche Zäsur liegt. Die andere Straftat muss nicht wirklich begangen oder strafbar sein. Die irrige Annahme des Täters reicht aus. Es ist nicht notwendig, dass sich die zu verdeckende Tat gegen ein anderes Rechtsgut richtet. Auch können Vortat und Tötung zeitlich zusammenfallen. Die andere Straftat muss nach der Vorstellung des Täters noch unentdeckt sein. Die Vermeidung einer Folge außerhalb des Strafrechts genügt als Motiv der Verdeckung.
c. Gemeingefährlichkeit (§ 211 Abs. 2 StGB)
Ein Tötungsmittel ist gemeingefährlich gemäß § 211 Abs. 2 StGB, wenn es in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Ein Kraftfahrzeug kann bei einer in Selbstmordabsicht durchgeführten Geisterfahrt zum gemeingefährlichen Tatwerkzeug werden. Bei Steinwürfen von einer Autobahnbrücke auf ein bestimmtes Fahrzeug kommt es darauf an, ob dichter Verkehr herrscht und daher Folgeunfälle drohen.
d. Habgier (§ 211 Abs. 2 StGB)
Unter Habgier gemäß § 211 Abs. 2 StGB versteht man ein noch über Gewinnsucht hinaus gesteigertes abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis. Das Ziel der Bereicherung muss aber nicht erreicht werden. Beispiele sind der Raubmord und der Auftragsmord.
e. Sonstige niedrige Beweggründe (§ 211 Abs. 2 StGB)
Ein Beweggrund ist gemäß § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist, wobei eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der seelischen Situation des Täters zu erfolgen hat. Ein Handeln mit nur bedingtem Tötungsvorsatz schließt das Vorliegen niedriger Beweggründe nicht aus. Tatmotive wie Wut, Eifersucht und Hass kommen nur dann als niedriger Beweggrund in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Ein niedriger Beweggrund liegt außerdem vor, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung besteht. Für die Bewertung eines Beweggrundes sind nicht die Anschauungen des aus einem anderen Kulturkreis stammenden Täters maßgeblich, sondern allein die Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland. Blutrache oder Ehrenmorde sind daher in der Regel besonders verwerflich und sozial rücksichtslos. Im Einzelfall kann jedoch bei Ausländern, die von einer solchen Vorstellungswelt geprägt und durchdrungen sind, subjektiv die Bewertung als niedrig entfallen.
f. Grausamkeit (§ 211 Abs. 2 StGB)
Unter Grausamkeit gemäß § 211 Abs. 2 StGB versteht man die Zufügung besonders starker Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung. Physische Schmerzen können durch Folterungen oder Vorenthalten von Nahrung und Flüssigkeit zustande kommen, psychische Qualen durch Tötungsvorbereitungen im Beisein des Opfers. Das Opfer muss der Grausamkeit aber während des vom Tötungsvorsatz umfassten tatbestandsmäßigen Geschehens ausgesetzt gewesen sein. Hieran fehlt es bei sofort eingetretener Bewusstlosigkeit bereits zu Beginn eines objektiv grausamen Verhaltens. Die gefühllose und unbarmherzige Gesinnung muss kein allgemeiner Charakterzug des Täters sein.
g. Mordlust (§ 211 Abs. 2 StGB)
Mordlust gemäß § 211 Abs. 2 StGB setzt Tötung mit Wissen oder Absicht voraus. Bei diesem Mordmerkmal bildet die Tötung den einzigen Zweck der Tat, insbesondere wenn allein aus der Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens getötet wird.
h. Befriedigung des Geschlechtstriebs (§ 211 Abs. 2 StGB)
Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs gemäß § 211 Abs. 2 StGB tötet, wer das Töten als Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benutzt. Dabei kann der Tötungsakt selbst die sexuelle Befriedigung verschaffen oder die Möglichkeit eröffnen, sich an der Leiche zu vergehen. Ein zeitlich-räumlicher Zusammenhang zwischen Tötung und Befriedigung ist nicht erforderlich.
2. Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 212 Abs. 2, 213 StGB)
Unter Tötung versteht man jede aktive Lebensverkürzung und jede garantenpflichtwidrige Unterlassung einer möglichen Lebensverlängerung. Für alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, mit Ausnahme des Taterfolgs, gilt das Erfordernis der Gleichzeitigkeit. Tauglicher Täter eines Totschlags gemäß § 212 StGB durch Unterlassen ist gemäß § 13 StGB nur der Inhaber einer Garantenstellung. Bei ambivalenten Verhaltensweisen ist im Wege einer wertenden Betrachtungsweise der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit zu ermitteln. Zu unterscheiden ist zwischen Beschützergaranten und Überwachungsgaranten. Beschützergaranten sind gekennzeichnet durch eine Obhutspflicht. Überwachungsgaranten sind solche, denen Sicherungs- oder Beherrschungspflichten in Bezug auf eine bestimmte Gefahrenquelle obliegen. Hierzu zählt insbesondere pflichtwidriges Vorverhalten. Beim Totschlag ist die erforderliche Gleichwertigkeit zwischen Unterlassen und einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch aktives Handeln immer gegeben. Zwischen Tathandlung und Taterfolg muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfallen würde, ist kausal. Beim Unterlassen ist für die Frage der Kausalität zu prüfen, ob der Tod ausbleiben würde, wenn die gebotene Handlung hinzugedacht wird. Es kommt nicht darauf an, ob neben der Tathandlung noch andere Ursachen zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Liegen mehrere Ursachen vor, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Tod ausbleiben würde, ist jede Ursache für den Erfolg kausal. Hypothetische Kausalverläufe dürfen anstelle der weggegachten Handlung nicht hinzugedacht werden. Auch wenn an eine Ursache eine Zweithandlung des Täters oder das freiverantwortliche Verhalten eines Dritten oder des Opfers selbst anknüpft, wodurch der Taterfolg eintritt, bleibt die Vorbedingung trotzdem ursächlich, wenn sie bis zum Erfolgseintritt fortwirkt. Anders verhält sich dies nur, wenn die Zweithandlung den Kausalverlauf unterbricht. Strafbarkeitsbeschränkungen erfolgen über das Verbrechenselement des Vorsatzes, indem die Vorhersehbarkeit bei atypischen Kausalverläufen untersucht wird. Tatsächliche Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf, die noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liegen und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen sind für den Vorsatz jedoch unbeachtlich und stellen keinen Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB dar. Anders verhält sich dies bei der aberratio ictus. Hier ist regelmäßig nur eine vorsätzliche Versuchsstrafbarkeit hinsichtlich des gewollten Taterfolges und eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit hinsichtlich des vollendeten Taterfolges begründet. Insgesamt dürfen die Anforderungen an den Nachweis der Kausalität nicht überspannt werden. Es ist keine absolute, das Gegenteil denknotwendig auschließende und damit nicht anzuweifelnde Gewissheit erforderlich, sondern nur ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Zweifel, die sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt teheoretischen Möglichkeit gründen, haben außer Betracht zu bleiben. Für die Anwendung des Grundsaztes in dubio pro reo ist dann kein Raum.
Beim Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB ist es zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich, dass der Täter mit Tötungsvorsatz gehandelt hat. Sofern einer der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Begleitumstände vorliegt, handelt es sich um einen Mord. Tötungsvorsatz bedeutet Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, wobei der Täter bei normativ geprägten Tatbestandsmerkmalen nur die zugrunde liegenden Tatsachen kennen und ungefähre Bedeutungskenntnis haben muss. Der Vorsatz besteht also aus einem kognitiven und einem voluntativen Element. Beim Totschlag lassen sich drei Vorsatzformen unterscheiden: Tötung mit Absicht, Tötung mit Wissen sowie Tötung mit Erkennen und Billigen. Bei der Tötung mit Absicht hält der Täter den Tod des Opfers für sicher oder möglich und hat zielgerichteten Erfolgswillen. Bei der Tötung mit Wissen hält der Täter den Tod des Opfers für sicher und hat keinen unbedingten Erfolgswillen. Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Todeseintritt als möglich erkennt und sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens damit abfindet. Die Möglichkeitsvorstellung vom Todeseintritt ist aber nicht nur beim Eventualvorsatz, sondern auch bei der bewussten Fahrlässigkeit einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB und beim Gefährdungsvorsatz einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorhanden. Bewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, dass es nicht zum Todeseintritt kommt. Wenn der Täter die Möglichkeit des Todeseintritts zwar nicht erkannt hat, aber mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt hat, kommt eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB in Betracht. Zur Abgrenzung ist daher eine umfassende Würdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen. Je gefährlicher sich die Gewalthandlung darstellt, desto eher kann auf einen Tötungsvorsatz geschlossen werden. Wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines anderen Menschen muss jedoch immer die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, dass der Täter die Gefahr des Todes nicht erkannt oder darauf vertraut hat, dass dieser nicht eintritt. Insbesondere bei einer spontanen und in affektiver Erregung ausgeführten Einzelhandlung kann nicht zwangsläufig auf das erforderliche voluntative Vorsatzelement geschlossen werden. Allerdings gilt dies nicht, wenn der vom Vorsatz des Täters umfasste Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann. Beim Handeln durch Unterlassen besteht generell keine psychologisch vergleichbare Hemmschwelle. Bei einem Täter, der zum Tatzeitpunkt unter erheblicher Einwirkung von Alkohol oder Rauschmitteln gestanden ist, ist zu berücksichtigen, dass sowohl die kognitiven als auch die voluntativen Fähigkeiten durch die Intoxikation stark beeinflusst gewesen sein können. Durch Zeugen belegte Äußerungen des Täters vor, während oder nach der Tatbegehung sind wichtige Indizien im Rahmen der anzustellenden Beweiswürdigung. Beim Würgeangriff mit bloßen Händen ist eine Abgrenzung zur lebensgefährdenden Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorzunehmen. Bei Messerattacken im Bereich des Körperzentrums liegt die Annahme eines Tötungsvorsatzes in der Regel sehr nahe. Gleiches gilt für wuchtige Schläge mit einer gefüllten Glasflasche auf den Kopf des Opfers oder massiven Fußtritten gegen den Kopf einer wehrlos am Boden liegenden Person. Beim heftigen Schütteln eines Kleinkindes ist in der Regel nur eine Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB verwirklicht.
Ein error in persona stellt bei Gleichwertigkeit der betroffenen Rechtsgüter keinen Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB dar, sondern nur einen unbeachtlichen Motivirrtum. Ein Irrtum kann entstehen durch Unkenntnis oder irrige Annahme. Soweit bei normativen Tatbestandsmerkmalen rechtliche Wertungen erforderlich sind, reicht es für den Vorsatz aus, wenn der Täter den rechtlich-sozialen Bedeutungsinhalt nach Laienart richtig erfasst hat. Ein Rechtsirrtum ist in der Regel nur ein vermeidbarer Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. Insbesondere bei Tötungsdelikten ist immer zu prüfen, ob möglicherweise eine Rechtfertigung der Tat wegen Notwehr gemäß § 32 StGB gegeben ist. Die irrige Annahme der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes, stellt einen Erlaubnistatbestandsirrtum dar und führt in analoger Anwendung des § 16 StGB zum Wegfall des Vorsatzes. Unberührt hiervon bleibt die mögliche Bestrafung wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes. Wenn der Täter lediglich über die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes irrt oder einen Rechtfertigungsgrund annimmt, den die Rechtsordnung nicht kennt, liegt ein Erlaubnisirrtum vor, der als Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB nur bei Unvermeidbarkeit die Schuld entfallen lässt. Ebenfalls von besonderer Relevanz im Bereich der Tötungsdelikte ist die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB. Weiterhin ist bei Tötungsdelikten immer die Schuldfähigkeit des Täters gemäß den §§ 20, 21 StGB zu untersuchen. Die Begehung eines Tötungsdeliktes kann außerdem neben oder anstelle der Bestrafung auch zur Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung führen. In Betracht kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB. Beim besonders schweren Fall des Totschlags gemäß § 212 Abs. 2 StGB handelt es sich um eine unbenannte Strafzumessungsvorschrift, deren Anwendung ein außergewöhnlich großes Verschulden des Täters voraussetzt. Beim minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 StGB handelt es sich ebenfalls um eine Strafzumessungsregel. In § 213 Alt. 1 StGB ist ein benannter Strafmilderungsgrund mit zwingender Rechtsfolge für den provozierten Totschlag enthalten. Der Täter ist ohne eigene Schuld, wenn er keine vorwerfbare Veranlassung zu der Provokation gegeben hat. Geeignete Provokationen sind Misshandlung oder schwere Beleidigung des Täters oder eines Angehörigen durch das Opfer. Die Tötungshandlung muss in einem motivationspsychologischen Zusammenhang zur Erregung des Täters stehen. In § 213 Alt. 2 StGB ist ein unbenannter Strafmilderungsgrund für sonstige minder schwere Fälle enthalten, wobei keine mit einer Provokation vergleichbare Situation vorgelegen haben muss.
3. Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB)
Grundsätzlich gilt ein Fremdtötungsverbot. Lediglich die Selbsttötung ist straflos. Auch die Veranlassung, Förderung oder fahrlässige Ermöglichung eines freiverantwortlichen Suizides erfüllt keinen Straftatbestand. Eine Selbsttötung liegt vor, wenn der Sterbewillige nach Abschluss der Mitwirkungshandlung noch die Entscheidung über Leben und Tod besitzt. Freiverantwortlichkeit setzt eine defektfreie Willensbildung voraus. Problematisch sind Fälle, in denen der Mitwirkende nach dem Bewusstseinsverlust des Suizidenten die Möglichkeit erlangt, dessen Tod zu verhindern. Als Unterlassungsgarant könnte der Teilnehmer aufgrund des Tatherrschaftswechsels nunmehr neben der unterlassenen Hilfeleistung auch ein Tötungsdelikt verwirklicht haben. Bei der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB handelt es sich um einen Privilegierungstatbestand, der die Anwendung der §§ 211, 212, 213 StGB ausschließt. Die Tötung auf Verlangen ist das einzige Vergehen unter den vorsätzlichen Tötungsdelikten. Der geringe Strafrahmen greift selbst dann ein, wenn Mordmerkmale verwirklicht worden sind. Der Straftatbestand der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB ist von der straflosen Suizidbeihilfe und der erlaubten Sterbehilfe abzugrenzen. Die Vorschrift erzeugt eine Einwilligungssperre. Der Vorwurf begründet allerdings nicht die Zuständigkeit des Schwurgerichts. Voraussetzung ist ein ausdrückliches und ernstliches Tötungsverlangen des Opfers, das den Täter zur Tat bestimmt hat. Das Tötungsverlangen kann auch in Gesten vermittelt werden. Es muss aber wie bei der rechtfertigenden Einwilligung auf einem frei verantwortlichen Entschluss des Opfers beruhen. Das Tötungsverlangen muss für den Täter außerdem handlungsleitend gewesen sein. Die direkte Sterbehilfe ist somit strafrechtlich verboten. Unter direkter Sterbehilfe versteht man jede durch aktives Tun verursachte auch nur geringfügige Lebensverkürzung.
Unter indirekter Sterbehilfe versteht man die aus ärztlicher Sicht notwendige Leidenslinderung durch Verabreichung von geeigneten Medikamenten beim Sterbenden mit der unbeabsichtigten und unvermeidbaren Nebenfolge einer Lebensverkürzung. Ein Sterbender ist eine Person, bei der eine oder mehrere vitale Funktionen unumkehrbar versagt haben und der Todeseintritt zeitnah zu erwarten ist. Soweit die medikamentöse Schmerzlinderung im Einklang mit dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Sterbenden steht, ist diese Vorgehensweise gemäß § 34 StGB wegen Notstandes gerechtfertigt. Unter passiver Sterbehilfe versteht man das Unterlassen oder Abbrechen lebenserhaltender Maßnahmen beim Sterbenden. Der Abbruch einer medizintechnischen Lebenserhaltung durch den behandelnden Arzt wird als Unterlassen gewertet. Erfolgt der Behandlungsabbruch durch einen Dritten, wird dieser Vorgang als aktives Tun eingeordnet. Die passive Sterbehilfe ist strafbar als Totschlag durch Unterlassen gemäß § 212 StGB. Beim rechtfertigenden Behandlungsabbruch ist diese Unterscheidung jedoch nicht mehr erforderlich. Voraussetzung ist insoweit, dass die betroffene Person lebensbedrohlich erkrankt und die unterlassene oder abgebrochene Maßnahme medizinisch zur Erhaltung des Lebens geeignet ist. Das Verhalten des Sterbehelfers muss sich aber darauf beschränken, einen Zustand wiederherzustellen, der einem bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt. Außerdem ist erforderlich, dass der Behandlungsabbruch mit dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der betroffenen Person erfolgt. Eine einwilligungsfähige Person kann durch eine Patientenverfügung festlegen, ob sie bei akut lebensbedrohlichen irreversiblen Körperschäden oder im Falle eines Wachkomas oder einer Demenzerkrankung mit bestimmten medizinischen und pflegerischen Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen, insbesondere Reanimationsmaßnahmen, künstliche Beatmung oder Ernährung, einverstanden ist. Eine wirksam errichtete Patientenverfügung bleibt auch dann verbindlich, wenn die betroffene Person zu einem späteren Zeitpunkt einwilligungsunfähig geworden ist. Zusätzlich können durch eine Vorsorgevollmacht bestimmte Personen legitimiert werden, dem Patientenwillen für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit Geltung zu verschaffen. Mittels Betreuungsverfügung kann auch eine Person benannt werden, die im Bedarfsfall zum Betreuer bestellt werden soll. Ohne Patientenverfügung kommt es auf die Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten an. Dieser muss dann den mutmaßlichen Willen, insbesondere aus früheren mündlichen Äußerungen und allgemeinen Wertvorstellungen der betroffenen Person, ermitteln. Eine Zustimmung des Betreuungsgerichts ist nicht erforderlich, wenn mit dem behandelnden Arzt darüber Einigkeit besteht, dass der Behandlungsabbruch dem mutmaßlichen Willen des Sterbenden entspricht. Persönlich unterfallen diesem Rechtfertigungsgrund nicht nur Ärzte, Betreuer und Bevollmächtigte, sondern auch Dritte, soweit sie als hinzugezogene Hilfspersonen tätig werden. Problematisch sind Fälle, in denen die Sterbephase zwar begonnen hat, die betroffene Person aber irreversibel bewusstlos ist und ein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille nicht ermittelt werden kann. Noch schwieriger verhält es sich, wenn unter den vorstehend genannten Umständen der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat.
4. Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB)
Zunächst sind die verschiedenen Stadien menschlicher Existenz voneinander abzugrenzen. Ein Embryo ist die bereits befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der erforderlichen Bedingungen zu teilen und zu einem selbständigen Individuum zu entwickeln vermag. Ab der Einnistung in der Gebärmutter spricht man von Leibesfrucht. Ab dem Beginn der Eröffnungswehen bzw. bei operativer Entbindung nach der Eröffnung des Uterus beginnt die Eigenschaft als Mensch im strafrechtlichen Sinne. Der irreversible und vollständige Ausfall aller Hirnfunktionen begründet schließlich die gesetzlich verankerte Eigenschaft als Verstorbener. Die Strafvorschriften des ESchG beziehen sich auf Handlungen am Embryo außerhalb des Mutterleibes oder vor der Nidation. Die Strafvorschriften des TPG schützen den Körper des Verstorbenen vor unzulässiger Organentnahme und Organhandel. Die Leibesfrucht wird durch § 218 StGB geschützt. Auch die noch lebende Leibesfrucht einer Verstorbenen unterfällt dem Schutzbereich. Alle fahrlässigen Handlungen der Schwangeren oder Dritter sowie Verhaltensweisen, die zur Schmerzzufügung oder Integritätsbeeinträchtigung führen, sind tatbestandlos. Für eine Abgrenzung zu den Tötungsdelikten kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die auf den Taterfolg gerichtete Handlung auf das Tatopfer einwirkt. Unter Schwangerschaftsabbruch versteht man jede Einwirkung auf die Schwangere oder die Leibesfrucht, die das Absterben innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes herbeiführt.
Die Schwangere selbst unterfällt gemäß § 218 Abs. 3 StGB einem gemilderten Strafrahmen. Außerdem ist für sie gemäß § 218 Abs. 4 S. 2 StGB der Versuch straflos. Weiterhin ist sie gemäß § 218a Abs. 4 S. 1 StGB straflos, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung von einem Arzt vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Wenn sich die Schwangere zur Zeit des Abbruchs in besonderer Bedrängnis befunden hat, kann das Gericht gemäß § 218a Abs. 4 S. 2 StGB von Strafe absehen. Außerdem ist eine Bestrafung aus den Straftatbeständen der §§ 218b Abs. 1, 218c Abs. 1, 219b Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Für Beteiligte an einem Fremdabbruch sind in § 218 Abs. 2 S. 2 StGB strafschärfende Regelbeispiele aufgeführt. Bei der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gemäß § 219a StGB und dem Inverkehrbringen von Abtreibungsmitteln gemäß § 219 StGB handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte. Den im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft behandelnden Arzt trifft wegen des grundsätzlich unbefristet zulässigen Abbruches die Pflicht, Schädigungen der Leibesfrucht zu diagnostizieren, um eine entsprechende Entscheidung zu ermöglichen. Andernfalls kann die Pflichtverletzung zu einer Unterhaltshaftung des Arztes führen. Kommt es im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch unerwünscht zu einer Frühgeburt, darf selbst dann keine aktive Sterbehilfe geleistet werden, wenn das Neugeborene nicht lebensfähig ist. Eine Abtreibung ist gemäß § 218a Abs. 1 StGB tatbestandslos, wenn die Schwangere den Abbruch verlangt, dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff durch eine gemäß § 219 StGB anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle hat beraten lassen, der Abbruch durch einen Arzt vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. Der mit Einwilligung der Schwangeren durch einen Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist gemäß § 218a Abs. 2 StGB ohne Fristbegrenzung gerechtfertigt, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Verhältnisse Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Die mit Einwilligung der Schwangeren durch einen Arzt vorgenommene Abtreibung ist gemäß § 218a Abs. 3 StGB weiterhin gerechtfertigt, wenn noch nicht mehr als zwölf Wochen seit der Empfängnis verstrichen sind, nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Die Wirksamkeit der Aufforderung zu einem Schwangerschaftsabbruch richtet sich nach den Regeln der rechtfertigenden Einwilligung. Eine Minderjährige bedarf der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung. In Ausnahmefällen kann die Zustimmung auch durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden.
5. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)
Bei der fahrlässigen Tötung handelt es sich um ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand ist demnach erfüllt, wenn die Tötung eines anderen Menschen auf einer objektiv vorhersehbaren und vermeidbaren Sorgfaltspflichtverletzung des Täters beruht. Grundsätzlich kann eine Tötung nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen begangen werden.
a. Sorgfaltspflichtverletzung
Unter Pflichtwidrigkeit versteht man die Außerachtlassung der objektiv gebotenen Sorgfalt. Die durch einen Kraftfahrzeugführer zu beachtenden Sorgfaltspflichten ergeben sich aus den Straßenverkehrsgesetzen. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften indiziert die Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens. Im Straßenverkehr gilt grundsätzlich der Vertrauensgrundsatz, d. h. jeder sich verkehrsgerecht verhaltende Verkehrsteilnehmer darf darauf vertrauen, dass sich auch die anderen Personen verkehrsgerecht verhalten. Der Vertrauensgrundsatz findet jedoch keine Anwendung bei eigenem Fehlverhalten, erkennbar verkehrswidrigen Verhalten Dritter, im Zusammenhang mit Kindern und bei gefahrgeneigten Verkehrssituationen.
b. Vorhersehbarkeit
Eine Tötung im Straßenverkehr erfüllt nur dann den Fahrlässigkeitstatbestand, wenn der eingetretene Erfolg nicht so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegt, dass man vernünftigerweise nicht damit zu rechnen braucht. Denn für diesen Fall fehlt es an der objektiven Vorhersehbarkeit. Eine Einschränkung der Fahrsicherheit durch Krankheit ist vorhersehbar. Allerdings ist der Fahrlässigkeitsvorwurf weder aufgrund der bei jedem Kraftfahrer vorhandenen allgemeinen Gefahr, während der Fahrt einen Schwächeanfall oder eine Bewusstseinstrübung zu erleiden, noch wegen jeder geringfügigen gesundheitszustands- oder altersbedingten Steigerung dieses Risikos gerechtfertigt.
c. Zurechnungszusammenhang
Außerdem ist für eine Strafbarkeit erforderlich, dass sich die Tötung nicht auch bei einem rechtmäßigem Alternativverhalten realisiert hätte. Es genügt insoweit, wenn die nur nicht fernliegende Möglichkeit besteht, dass der Erfolg auch bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Täters eingetreten wäre. Wenn ein Kraftfahrzeugführer einen alkoholisierten Radfahrer unter Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes tödlich verletzt, es aber zumindest nach dem Grundsatz in dubio pro reo nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich dieser Erfolg aufgrund der alkoholbedingten Fahrunsicherheiten des Radfahrers auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Fahrzeugführers verwirklicht hätte, fehlt es am notwendigen Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Ein alkoholisierter Fahrzeugführer muss dagegen seine Fahrweise an die verminderte Reaktionsgeschwindigkeit anpassen und entsprechend langsamer fahren. Weiterhin kann sich der Täter in der Regel nicht auf ein hypothetisches schadensstiftendes Verhalten eines Dritten berufen. Dem Auffahrenden bei einer Massenkarambolage ist also das Argument verwehrt, dass selbst bei rechtzeitiger Abbremsung seines Fahrzeuges der nachfolgende Fahrzeugführer gleichwohl mit so hoher Geschwindigkeit aufgefahren wäre, dass er das vor ihm stehende Fahrzeug in den davor stehenden Wagen geschoben hätte. Bei der Prüfung der Vermeidbarkeit eines Verkehrsunfalles werden oftmals Unfallanalytiker zum Zwecke der Rekonstruktion hinzugezogen. Einschränkungen der objektiven Zurechnung können sich jedoch aus dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip ergeben. Insoweit ist dann die eigenverantwortliche und den Pflichtwidrigkeitszusammenhang ausschließende Selbstgefährdung von der tatbestandsmäßigen Fremdgefährdung abzugrenzen. Hier kommt es entscheidend auf die Frage der Tatherrschaft an. Liegt diese nicht allein beim Gefährdeten, ist keine Selbstgefährdung gegeben. Bei einer vorliegenden Fremdgefährdung ist unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 228 StGB die Möglichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung zu prüfen. Eine Einwilligung in eine objektiv sorgfaltswidrige und gefährliche Handlung wirkt solange rechtfertigend, wie noch kein naheliegendes oder konkretes Todesrisiko besteht, selbst wenn sich dieses Risiko später realisiert. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip ist relevant bei illegalen Fahrzeugrennen oder bei Kenntnis des Beifahrers von Defiziten beim Fahrer.Weiterhin ist erforderlich, dass der eingetretene Erfolg im Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm liegt. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung wegen neuen Fahrbahnbelags bezweckt nicht, einmündenden Fahrzeugen das Einfahren zu erleichtern, sondern dient dazu, der erhöhten Rutschgefahr entgegenzuwirken.
d. Fahrlässigkeitsschuld
Bei Fahrlässigkeitsdelikten ist es erforderlich, dass der Sorgfaltsverstoß individuell vorwerfbar und der Erfolg individuell vorhersehbar ist. Insoweit sind die Intelligenz, Bildung, Geschicklichkeit und Lebenserfahrung des Täters unter Berücksichtigung des konkreten Lebenssachverhaltes (Affekt, Stress, Angst, etc.) zu würdigen. In der Regel wird die Fahrlässigkeitsschuld durch die Erfüllung des Tatbestandes indiziert, es sei denn, es sind besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten gefragt. Bei der bewussten Fahrlässigkeit reflektiert der Täter über die Gefährlichkeit seines Verhaltens und vertraut pflichtwidrig darauf, dass der Erfolgseintritt ausbleibt. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem besonders hohen Maß verletzt. Der Schuldvorwurf kann jedoch entfallen, wenn dem Täter ein normgemäßes Verhalten nicht zumutbar ist.
e. Straßenverkehr
Bei einer fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol oder Rauschmitteln prüfen die Gerichte, ob einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung die Verteidigung der Rechtsordnung entgegensteht. Insoweit ist im Rahmen der Abwägung unter anderem der Grad der Alkoholisierung, ein Mitverschulden des Opfers, das Verhältnis zum Opfer, das Fehlverhalten Dritter, Folgen des Verkehrsunfalles für den Täter, die Intensität des Verkehrsverstoßes und das Nachtatverhalten. Bei Geisterfahrern kann das Gericht das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes prüfen. Hierbei ist zu beachten, dass ein Kraftfahrzeug auch als gemeingefährliches Mittel angesehen werden kann. Denn ein Tötungsmittel, das zwar seiner Natur nach nicht gemeingefährlich ist, kann das Mordmerkmal gleichwohl begründen, wenn in der konkreten Tatsituation die Gefährdung einer Mehrzahl von Menschen möglich ist und der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat.
6. Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)
Der Verbrechenstatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB hat Auffangfunktion, insbesondere wenn ein Tötungsvorsatz nicht nachgewiesen werden kann. Der bedingte Körperverletzungsvorsatz ist vom Gefährdungsvorsatz und von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen. Hinsichtlich der Todesfolge muss der Täter gemäß § 18 StGB lediglich fahrlässig gehandelt haben. Erfasst werden aber nur solche Körperverletzungshandlungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tod des Opfers führen zu können. Die Todesfolge kann auch durch eine Versuchshandlung der Körperverletzung ausgelöst werden. Wenn sich ein Opfer infolge einer panikartigen Flucht zur Vermeidung von weiteren Misshandlungen tödliche Selbstverletzungen zufügt, ist der erforderliche Gefahrzusammenhang mit dem Körperverletzungsverhalten gegeben.