In diesem Fachartikel setzt sich Fachanwalt Strafrecht München Volker Dembski mit den Straftatbeständen der Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c StGB und dem Straßenverkehrseingriff gemäß § 315b StGB auseinander.
1. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB)
Bei der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Anders als beim Straßenverkehrseingriff gemäß § 315b StGB, der vornehmlich Beeinträchtigungen von außen abwehren soll, werden durch den Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung falsche Verhaltensweisen von Fahrzeugführern im ruhenden und fließenden Verkehr sanktioniert. Bei Verstößen gegen die Sicherungspflicht in Richtung auf haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge kann jedoch auch ein Dritter tauglicher Unterlassungstäter sein. Den Tatbestand erfüllt, wer im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er fahruntüchtig ist, oder grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine der sieben Todsünden im Straßenverkehr begeht und dadurch eine Gefahr für eine andere Person oder fremde Sache von bedeutendem Wert verwirklicht. Bei der Bewertung, ob sich die Tat im öffentlichen Verkehrsraum ereignet hat, sind die verkehrsrechtlichen und nicht die wegerechtlichen Vorschriften maßgeblich. Fahrzeug im Sinne der Vorschrift ist jedes Fortbewegungsmittel, also auch ein Fahrrad. Die Fahrzeugführung setzt einen Bewegungsvorgang voraus. Das bloße Anlassen des Motors genügt daher nicht. Allerdings ist die Entfaltung von Motorkraft auch nicht zwingend erforderlich. Eine konkrete Gefährdung ist gegeben, wenn der Eintritt der Verletzung nur noch vom Zufall abhängt. Der Täter selbst ist nicht tauglicher Gefährdeter im Sinne der Vorschrift, wohl aber der Beifahrer, es sei denn, er ist gleichzeitig Anstifter oder Gehilfe. Auch das vom Täter geführte Fahrzeug ist kein taugliches Gefährdungsobjekt, selbst wenn es im fremden Eigentum steht. Ein bedeutender Wert wird ab EUR 1.300,- angenommen. Beim Verkehrsvergehen der Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c StGB wird in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen, ansonsten werden Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen. Anders als bei der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB handelt es sich grundsätzlich nicht um ein Dauerdelikt. Allerdings liegt auch bei mehreren Gefährdungen im Zustand der Fahruntauglichkeit nur eine Tat vor. Eine Fahrerflucht nach Verkehrsunfall oder sonstige längere Fahrtunterbrechungen entfalten jedoch Zäsurwirkung, d. h. die Einheitlichkeit wird dann durch den neu gefassten Tatentschluss aufgehoben.
Absolute Fahruntüchtigkeit aufgrund von Alkoholkonsum nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a Alt. 1 StGB liegt vor, wenn die Blutalkoholkonzentration eines Kraftfahrzeugführers 1,1 Promille erreicht. Ausreichend sind auch 0,3 Promille, sofern alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hinzutreten. Solche Ausfallerscheinungen können sich aus dem Fahrverhalten oder sonstigen Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers ergeben. Entzugserscheinungen sind insoweit nicht ausreichend, es sei denn, sie haben Auswirkungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit, Risikobereitschaft oder Reaktionsfähigkeit des Fahrers. Die Promillegrenze für Fahrradfahrer liegt bei 1,6 Promille. Die Blutalkoholkonzentration ergibt sich aus der Rückrechnung des Alkoholgehalts von Blutproben oder aus der Umrechnung der ermittelten Trinkmenge nach der so genannten Widmark-Formel. Bei einem Sturztrunk kurz vor Fahrtbeginn ist zu beachten, dass es wegen der Anflutungswirkung des Alkohols ausreicht, wenn der Fahrzeugführer zum Tatzeitpunkt eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer entsprechenden Blutalkoholkonzentration führen kann. Eine Messung der Atemalkoholkonzentration darf zum Nachweis von absoluter Fahruntüchtigkeit nicht herangezogen werden, sie kann lediglich als Indiz für eine relative Fahruntüchtigkeit gewertet werden. Anders verhält es sich bei Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 24a StVG ab Erreichen der 0,5 Promillegrenze. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille ordnet die Führerscheinstelle im Zusammenhang mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist die Beibringung einer MPU an. Bei den anderen Rauschmitteln (Drogen, Medikamente) gibt es keinen verbindlichen Grenzwert zur Annahme von absoluter Fahruntauglichkeit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a Alt. 2 StGB. Es müssen neben einem bestimmten Wirkstoffspiegel im Blut daher immer auch rauschmittelbedingte Ausfallerscheinungen vorliegen. Allgemeine Merkmale des Drogenkonsums sind insoweit nicht ausreichend. Erforderlich sind gewichtige Auffälligkeiten, die sich unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beziehen. Fahruntauglichkeit kann gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB auch durch geistige oder körperliche Mängel begründet sein. In Betracht kommen insoweit insbesondere altersbedingte psychofunktionale Leistungsdefizite, Erkrankungen oder Übermüdung. Bei der Übermüdung ist ein Zustand erforderlich, der für den Fahrer die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt. In der Regel wird hier ein rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen sein. Bei Erkrankungen, die sich nicht ständig auswirken, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit an.
Schwere Fehlverhaltensweisen sind in § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. a-g StGB aufgelistet: Nichtbeachtung der Vorfahrt, Fehlverhalten bei Überholvorgängen, Fehlverhalten an Fußgängerüberwegen, Fahrtgeschwindigkeit an bestimmten Stellen, Nichteinhalten der rechten Fahrbahnseite an unübersichtlichen Stellen, Geisterfahrten, Fehlverhalten beim Kenntlichmachen von Fahrzeugen. Der Begriff der Vorfahrt ist nicht im Sinne von § 8 StVO, sondern erweitert zu verstehen. Verstöße beim Überholen können auch durch den Überholten begangen werden. Der Begriff der Geschwindigkeit ist relativ zu verstehen, d. h. die Geschwindigkeit kann auch unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu schnell sein, wenn die Verkehrssituation eine niedrigere Geschwindigkeit erfordert. Die vorstehend aufgezählten Verkehrsverstöße müssen grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangen worden sein. Grob verkehrswidrig ist ein Verhalten, das objektiv besonders gefährlich gegen Verkehrsvorschriften verstößt. Rücksichtslos handelt, wer sich entweder eigensüchtig über bekannte Rücksichtspflichten hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Fahrerpflicht nicht besinnt und unbekümmert um mögliche Folgen drauf losfährt.
2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)
Während die Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c StGB betriebsinterne Verhaltensweisen unter Strafe stellt, schützt § 315b StGB die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs vor verkehrsfremden Eingriffen, also vor Verhaltensweisen, die von außen einwirken. Allerdings werden im Einzelfall auch Handlungsweisen erfasst, die innerhalb des Straßenverkehrs vorgenommen werden. Das wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn der Verkehrsteilnehmer den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr pervertiert. Voraussetzung ist eine grobe Einwirkung von einigem Gewicht mit verkehrsfeindlicher Absicht und Schädigungsvorsatz. Ausnahmsweise liegt ein Straßenverkehrseingriff auch bei äußerlich verkehrsgerechtem Verhalten vor, wenn der Täter unter Ausnutzung der Unachtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer oder unübersichtlicher Verkehrssituationen zum Zwecke der späteren Schadensregulierung mit Absicht einen Unfall provoziert. Die Sicherheit des Straßenverkehrs ist aber nicht gefährdet, wenn sämtliche Beteiligte einvernehmlich zum Zwecke des Versicherungsbetruges handeln. Sofern bestimmte überschießende Absichten des Täters vorliegen, qualifiziert sich die Tat zum Verbrechen. Beim Vorliegen von Fahrlässigkeit in Richtung auf das Eingriffsverhalten und/oder den Gefährdungserfolg ändert sich der Strafrahmen ebenfalls. Die Tat muss sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignen. Auf die Eignung für bestimmte Verkehrsarten oder die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. So liegt öffentlicher Straßenverkehr auch in einem Parkhaus während der regulären Öffnungszeiten vor, nicht aber auf einem der Allgemeinheit nicht offen stehendem Betriebsgelände. Es ist unerheblich, wenn sich die konkrete Gefährdung oder der Schaden erst außerhalb der öffentlichen Verkehrsraumes realisieren, sofern die abstrakte Gefahr noch im Straßenverkehr durch eine unmittelbares Ansetzen des Täters verwirklicht worden ist. Zu den Fahrzeugen gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGb zählen alle Fortbewegungsmittel ohne Rücksicht auf die Antriebsart, also auch Straßenbahnen, Fahrräder und Krankenfahrstühle. Anlagen stellen unter anderem Verkehrszeichen, Straßen und Verkehrsschilder dar. Strafrechtlich relevante Einwirkungen sind insoweit das Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen. Nachdem eine Sabotageabsicht keine zwingende Voraussetzung ist, kann der Fahrlässigkeitstatbestand auch durch mangelhaft durchgeführte Wartungsarbeiten begründet werden. Wer eine Straßensperre errichtet oder sein Fahrzeug absichtliche scharf abbremst bereitet ein Hindernis gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB. Beispiele für ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB sind: Gegenständen von einer Brücke auf Fahrzeuge werfen, Altöl auf die Fahrbahn schütten, Abziehen des Zündschlüssel während der Fahrt durch den Beifahrer, Rammen des vorausfahrenden Fahrzeuges. Eine Tatbegehung ist auch durch Unterlassen möglich. Eine konkrete Gefahr ist gegeben, wenn das Ausbleiben eines Schadens nach objektiv nachträglicher Prognose als zufällig zu bewerten ist. Es ist nicht erforderlich, dass neben der Gefährdung der Tatobjekte eine weitere Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs eintritt. Die Gefahr muss sich jedoch verkehrsspezifisch auswirken. Hieran fehlt es, wenn die konkrete Gefährdung in keiner inneren Verbindung mit der Dynamik des Straßenverkehrs steht. Ebenso wenig bedarf es einer zeitlichen Zäsur zwischen Eingriff und Gefährdung. Die Wertgrenze bei der Gefährdung von fremden Sachen liegt bei EUR 1.300,-. Ein tatsächlich eingetretener Schaden kann geringer sein als der Gefährdungsschaden.