Belehrung über Schweigerecht
- Tatverdächtige Auskunftspersonen sind vor einer Vernehmung entweder als Beschuldigte über ihr umfassendes Schweigerecht gemäß § 136 StPO oder als Zeugen über ihre Berechtigung zur zumindest teilweisen Auskunftsverweigerung gemäß § 55 StPO zu belehren. Das Recht zur Auskunftsverweigerung muss allerdings glaubhaft gemacht werden.
- Anders als der lediglich sachbezogene Anfangsverdacht gemäß § 152 StPO ist ein Tatverdacht immer personenbezogen. Eine Person erlangt den Status des Beschuldigten, wenn sie aufgrund der konkreten Verdachtslage ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Man spricht dann auch von Inkulpationsverdacht. Den Strafverfolgungsbehörden steht insoweit jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum zu.
- Die Begründung der Beschuldigteneigenschaft kann durch die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erfolgen. Möglich ist aber auch eine konkludente Inkulpation. Bei der Vernehmung einer tatverdächtigen Auskunftsperson kann es daher auf die Umstände des Einzelfalls ankommen, ob und wann eine Beschuldigtenbelehrung vorzunehmen ist.
- Wenn eine tatverdächtige Auskunftsperson rechtsfehlerhaft nicht als Beschuldigter belehrt worden ist und daher erneut vernommen wird, muss eine qualifizierte Beschuldigtenbelehrung erfolgen. Das bedeutet, dass der Beschuldigte vor Beginn der Folgevernehmung zusätzlich über die Unverwertbarkeit seiner Angaben aus der Erstvernehmung belehrt werden muss.
Beweisverwertungsverbot?
- Nachdem die Polizei in einer Vernehmungssituation großes Interesse daran hat, dass die befragte Person möglichst umfassende Angaben zur Sache macht, wird die Auskunftsperson zur Erhaltung der Aussagebereitschaft solange wie möglich als Zeuge behandelt. Wenn in diesem Zusammenhang die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten werden, besteht allerdings ab dem Zeitpunkt der konkludenten Inkulpation ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der gewonnenen Erkenntnisse.
- Die Tatsache, dass ein tatverdächtiger Zeuge nach § 55 StPO über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt worden ist, steht einem Beweisverwertungsverbot nicht entgegen. Es bedarf auch keiner Interessenabwägung. Der Verwertung der rechtsfehlerhaft erlangten Angaben muss aber in der Hauptverhandlung rechtzeitig widersprochen werden.
- Dagegen führt hier ein Verstoß gegen die qualifizierte Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung nicht zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot, sondern es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Zudem ist im Freibeweisverfahren zu klären, ob sich der Beschuldigte an seine früheren Angaben gebunden gefühlt hat.
Verhalten des Beschuldigten?
- Der Erstkontakt mit der Polizei kann auf unterschiedlichen Ermittlungsmaßnahmen beruhen. Wenn der Betroffen eine Vorladung erhält oder dessen Wohnung durchsucht wird, ist der Verfahrensstatus als Beschuldigter eindeutig. Für eine Belehrung als Zeuge mit nur punktuellem Auskunftsverweigerungrecht ist hier kein Raum. Eine solche Vorgehensweise würde einen Verfahrensfehler begründen. Gleiches gilt bei Verhaftung oder vorläufiger Festnahme.
- Vor einer Vernehmung erfolgt in eindeutigen Verfahrenssituationen immer eine Beschuldigtenbelehrung über das Schweigerecht. Hiervon sollte der Beschuldigte auch unbedingt Gebrauch machen. Vor Akteneinsicht sollten keine Angaben zur Sache gemacht werden.
- Allerdings ist die Polizei darin geübt, den Beschuldigten durch unterschiedliche Verhörtaktiken zum Reden zu verleiten. Dem zu widerstehen ist nicht einfach, da dem Beschuldigten oftmals suggeriert wird, dass er durch Angaben den Tatverdacht entkräften kann.
- Leider bewirkt der Beschuldigte durch seine Angaben oftmals genau das Gegenteil, weil er sich in Widersprüche verwickelt. Das gilt auch für Gespräche außerhalb klassischer Vernehmungssituationen. Besonders anfällig für unfreiwillige Selbstbelastungen ist der Beschuldigte in der Stresssituation einer Verhaftung oder Wohnungsdurchsuchung.
Recht auf Strafverteidiger
- Der Beschuldigte hat gemäß § 137 StPO das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Strafverteidigers zu bedienen. Darüber ist er gemäß § 136 StPO von den Strafverfolgungsbehörden zu belehren.
- Bei einer gewünschten Kontaktaufnahme ist der Beschuldigte erforderlichenfalls zu unterstützen und auf bestehende anwaltliche Notdienste hinzuweisen.
- Außerdem ist er zu belehren, dass er unter den Voraussetzungen des § 140 StPO die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragen kann.
Beweisverwertungsverbot?
- Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht über das Recht zur Befragung eines Verteidigers führt zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine Ausnahme gilt insoweit nur dann, wenn positiv feststeht, dass der Beschuldigte sein Recht kannte.
- Beim nicht inhaftierten Beschuldigten führt ein Verstoß gegen die Pflicht zur Unterstützung bei der Kontaktaufnahme mit einem einem Verteidiger in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Anders kann es sich aber verhalten, wenn Untersuchungshaft droht.
- Zur Frage, ob eine unterbliebene Belehrung hinsichtlich der Möglichkeit zur Bestellung eines Pflichtverteidigers zu einem Beweisverwertungsverbot führt, gibt es derzeit noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Verhalten des Beschuldigten?
- Die Polizei hat kein Interesse daran, dass der Beschuldigte einen Strafverteidiger einschaltet. Denn dessen Beratung wird in der Regel dazu führen, dass der Beschuldigte zumindest vor Akteneinsicht von seinem Schweigerecht Gebrauch machen wird. Dadurch wird die polizeiliche Sachaufklärung in zulässiger Art und Weise behindert. Denn der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten. Er muss am Strafverfahren nicht aktiv mitwirken.
- Jeder Beschuldigte sollte möglichst frühzeitig einen Fachanwalt für Strafrecht mit seiner Verteidigung beauftragen. Denn nur ein Strafverteidiger kann den Beschuldigten sachgerecht beraten. Anders als die Polizei vertritt der Rechtsanwalt ausschließlich die Interessen des Mandanten.
- Nur ein Strafverteidiger kann nach Akteneinsicht die Beweislage fachgerecht einschätzen und eine sinnvolle Verteidigungsstrategie entwickeln.
- Viele Strafverteidiger haben in ihrer Kanzlei einen 24/
7 Notdienst eingerichtet. Daher kann das Konsultationsrecht auch außerhalb der üblichen Bürozeiten wahrgenommen werden. - Auch ein mittelloser Beschuldigter hat in Fällen notwendiger Verteidigung das Recht, einen Antrag auf Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger zu stellen. Wenn die spätere Beiordnung als Pflichtverteidiger realistisch erscheint, kann es sein, dass ein Strafverteidiger auch zur sofortigen Hilfe vor der Bestellung bereit ist. Ein Verpflichtung besteht insoweit jedoch nicht.