Verstoß gegen §§ 176 ff. StGB
- Die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß den §§ 176, 176a, 176b, 176c StGB bestimmen eine absolute Grenze für den sexualbezogenen Umgang strafmündiger Personen mit Kindern.
- Derartige Kontakte sind ausnahmslos verboten. Es handelt sich um abstrakte Gefährdungsdelikte.
- Taugliche Opfer sind Personen unter vierzehn Jahren. Sofern der Täter das konkrete Alter des Kindes nicht kennt, sind bei der objektiven Altersbestimmung körperliche Entwicklung und Erscheinungsbild des Opfers zum Zeitpunkt der Tat maßgeblich.
- Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des Kindes scheidet mangels entsprechender Dispositionsfähigkeit aus.
Mit Körperkontakt?
- In § 176 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB wird beim sexuellen Missbrauch von Kindern ein Körperkontakt zwischen Täter oder Drittperson und Opfer vorausgesetzt.
- Dies erfordert aber nicht zwingend einen Hautkontakt. Es genügt die Berührung mit einem Gegenstand oder das Anfassen über der Kleidung.
- Im Vergleich zu Erwachsenen sind bei Kindern die Anforderungen an die Erheblichkeit eines sexuellen Übergriffs im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB zwar herabgesetzt. Ein Kuss auf die Wange ist allerdings auch beim Kind als nicht erheblich einzustufen.
- Erforderlich ist nicht, dass das Kind die Sexualbezogenheit der Handlung realisiert.
Vornehmen
- § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB pönalisiert das Vornehmen sexueller Handlungen durch den Täter am Kind und umgekehrt. Handlungen des Kindes oder des Täters an sich selbst oder an Dritten werden nicht erfasst.
- Wenn das Kind eine sexuelle Handlung am Täter vornimmt, genügt ein bloß passives Dulden nicht, sondern es muss zumindest eine nonverbale Bestärkung gegeben sein.
- Unter sehr engen Voraussetzungen kann gemäß § 176 Abs. 2 StGB von einer Bestrafung abgesehen werden.
Bestimmen
- § 176 Abs. 1 Nr. 2 StGB bestraft das Bestimmen des Kindes durch den Täter zur Vornahme sexueller Handlungen an einer Drittperson und umgekehrt. Eine Bestimmungshandlung kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und muss nicht mit der Überwindung von Hemmungen verbunden sein. Die Drittperson kann selbst ein Kind sein.
- Eine Präsens des Täters im Tatzeitpunkt ist nicht notwendig.
- Bei Kleinkindern, deren Entschluss zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen zweifelhaft sein kann, genügt bereits die bloße Verursachung derselbigen.
Anbieten oder Versprechen
- In § 176 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden bestimmte Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt. Erfasst werden das Anbieten oder Versprechen des Nachweises eines Kindes zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs.
Ohne Körperkontakt?
- In § 176a Abs. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind bestraft.
- Der Gesetzgeber misst diesen Taten ein geringeres Gefährdungspotential für das geschützte Rechtsgut bei. Die Vorschrift enthält verschiedene Tatmodalitäten.
Vornehmen
- In § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird zum einen das Vornehmen sexueller Handlungen vor einem Kind durch den Täter an sich selbst unter Strafe gestellt. Zum anderen kann der Täter die sexuelle Handlung aber auch durch eine dritte Person an sich vornehmen lassen. Durch die Vorschrift sollen aber vor allem Konstellationen erfasst werden, in denen das Kind mit exhibitionistischen Handlungen eines Einzeltäters konfrontiert wird. Für den Fall einer Verurteilung ist § 183 Abs. 4 Nr. 2 StGB zu beachten.
- Bei reinen Entblößungshandlungen, also dem Vorzeigen des Geschlechtsteils ohne Masturbieren, stellt sich die Frage, ob bereits hierdurch die Erheblichkeitsschwelle gemäß § 184h Nr. 1 StGB überschritten wird. Bei Kindern sind insoweit zwar geringere Anforderungen als bei Taten zu Lasten von Erwachsenen zu stellen. Es sollte jedoch zumindest ein strafbares Posing vorliegen.
- Jedenfalls ist der Tatbestand bei Masturbationshandlungen erfüllt, da das Kind die sexuelle Bedeutung nicht realisieren muss. Es reicht gemäß § 184h Nr. 2 StGB aus, wenn das Kind den Vorgang wahrgenommen hat. Allerdings muss die Handlung des Täters darauf gerichtet sein, dass die Einbeziehung des Kindes in den Vorgang durch dessen Wahrnehmung ein entscheidender Faktor ist. Der Täter muss eine Wahrnehmung der sexuellen Bedeutung des Geschehens durch das Kind zumindest herbeiführen wollen.
- Auf eine räumliche Nähe kommt es nicht an, sodass ein Vornehmen auch durch visuelle Übertragung der sexuellen Handlung im Internet oder durch akustische Übermittlung gegeben sein sein kann.
Bestimmen
- In § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB muss das Kind die sexuelle Handlung, zu der es vom Täter bestimmt wird, nicht zwingend an sich vornehmen. Es genügt auch ein sexuell aufreizendes Posieren, soweit es auf einem aktiven Tun beruht. In diesem Zusammenhang ist ein Posieren daher unter engeren Voraussetzungen tatbestandserfüllend als beim Umgang mit Kinderpornographie gemäß § 184b StGB.
- Ist die Handlung objektiv nicht sexualbezogen, sondern wird nur vom Täter so verstanden, reicht dies nicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals aus.
- Das Kind muss den sexuellen Charakter der Handlung nicht wahrnehmen, sodass das Bestimmen auch rein akustisch ohne visuellen Kontakt erfolgen kann. Allerdings wird dann die Erheblichkeitsschwelle weniger schnell überschritten. Bereits die ohne Anwesenheit des Täter auf dessen Veranlassung durchgeführte Aufzeichnung kann tatbestandserfüllend sein.
Einwirken
- In § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB wird das Einwirken auf ein Kind durch pornographische Inhalte oder entsprechende Reden unter Strafe gestellt. Ziel des Einwirkens muss keine sexuelle Handlung des Kindes sein. Bestraft wird bereits das Einwirken auf die kindliche Psyche. Das Merkmal des Einwirkens umfasst alle Formen aktiver und unmittelbarer psychischer Beeinflussung auch ohne Täuschung, Überredung oder Drohung. Die Einflussnahme muss von einer gewissen Hartnäckigkeit geprägt sein.
- Pornographie liegt vor, wenn das Material unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und in seiner Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Menschen an sexuellen Dingen abzielt. Das Foto eines nackten Geschlechtsteils ohne Verknüpfung mit einer sexuellen Handlung ist daher nicht tatbestandserfüllend. Es muss zumindest ein strafbares Posing vorliegen.
- Inhalte sind gemäß § 11 Abs. 3 StGB solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind. Das gilt auch unabhängig von einer Speicherung, wenn die Inhalte mittels Informations- und Kommunikationstechnik übertragen werden. Hierdurch soll jede Art von technischer Kommunikation erfasst werden, insbesondere soziale Netzwerke, Online-
Dienste, das gesamte Internet sowie sämtliche technische Methoden hinsichtliche der Übermittlung von Informationen. Ein tatsächliches Treffen zwischen Täter und Opfer ist somit nicht erforderlich. - Beim Einwirken durch entsprechende Reden ist eine ausdrückliche Äußerung mit sexueller Bedeutung erforderlich, die nach Art, Inhalt und Intensität mit pornographischen Inhalten vergleichbar ist. Sexualbezogenheit reicht nicht aus. Das Kind muss die Inhalte zwar wahrnehmen, aber nicht die sexuelle Bedeutung verstehen. Ein Säugling ist zur Wahrnehmung nicht in der Lage.
- Einwirkungen stellen nur dann einen Missbrauch dar, wenn sie aus sexueller Motivation erfolgen.
Verabreden
- In § 176a Abs. 2 StGB werden bestimmte Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt.
- Die Tathandlungen des Anbietens und Versprechen des Nachweises identisch mit denen in § 176 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Ein Verabreden setzt eine ernstliche, hinreichend konkrete Vereinbarung voraus.
Cybergrooming
- Unter Cybergrooming versteht man das gezielte Einwirken auf Kinder über das Internet, mit dem Ziel, diese zu Handlungen gemäß den §§ 176, 176a StGB zu veranlassen.
- Durch die Sonderregel des § 176 Abs. 3 S. 2 StGB soll insbesondere Cybergrooming aus ermittlungstaktischen Gründen als untauglicher Versuch von der Strafbarkeit erfasst werden. Hierbei geben sich verdeckt ermittelnde Polizeibeamte in sozialen Medien des Internets als Kinder aus, um potenzielle Täter der §§ 176 ff, 184b StGB zu überführen.
- Es reicht aber auch aus, wenn Sorgeberechtigte oder sonstige Betreuungspersonen Empfänger der Einwirkung gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB sind.
Vorbereitung?
- In § 176b StGB werden bestimmte Vorbereitungshandlungen bestraft.
- Ziel des Einwirkens auf ein Kind gemäß § 176b Abs. 1 StGB durch Inhalte im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB muss ein sexueller Missbrauch sein. Dieser kann gemäß § 176b Abs. 1 Nr. 1 StGB in sexuellen Handlungen liegen oder gemäß § 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB im Umgang mit kinderpornographischen Inhalten im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB bestehen.
- § 176b Abs. 2 StGB erfasst wie § 176a Abs. 2 StGB das Anbieten eines Kindes, das Versprechen eines Nachweises oder die Verabredung zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs.
Schwerer sexueller Missbrauch?
- Beim schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176c StGB handelt es sich um einen als Verbrechen eingestuften Qualifikationstatbestand.
- Die Vorschrift enthält in § 176c Abs. 1 Nr. 1 StGB einen erhöhten Strafrahmen für Wiederholungstäter. In diesem Zusammenhang ist auch § 176c Abs. 4 StGB zu beachten.
- In § 176c Abs. 1 Nr. 2 StGB werden der Beischlaf, in § 176c Abs. 1 Nr. 3 StGB gemeinschaftliche Begehungsweisen und § 176c Abs. 1 Nr. 4 StGB schwere Tatfolgen erfasst.
- In § 176c Abs. 2 StGB wird die Absicht bestraft, durch den sexuellen Missbrauch kinderpornographische Inhalte herzustellen und zu verbreiten.
- In § 176c Abs. 3 StGB wird der Strafrahmen bei besonders schwere Tatfolgen nochmals erhöht.
- Wenn der Täter durch den sexuellen Missbrauch zumindest leichtfertig den Tod des Kindes verursacht, findet die Erfolgsqualifikation des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge gemäß § 176d StGB Anwendung.
Anleitungen sexueller Missbrauch?
- In § 176e StGB wird die Verbreitung und der Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern unter Strafe gestellt.
- Die Vorschrift wurde eingeführt, weil im Internet Anleitungen zu Sexualdelikten gemäß den §§ 176 ff. StGB kursieren, die vom verbotenen Umgang mit kinderpornographischen Inhalten gemäß § 184b StGB nur unzureichend erfasst werden.
- Es handelt sich um ein potenzielles Gefährdungsdelikt.