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Untersuchungshaft
- Untersuchungshaft darf gegen einen Tatverdächtigen gemäß § 112 StPO nur dann angeordnet werden, wenn dringender Tatverdacht besteht und ein Haftgrund vorliegt.
- Außerdem muss die Anordnung von Untersuchungshaft verhältnismäßig sein. Bei der Berurteilung der Verhältnismäßigkeit sind die konkreten Nachteile und Gefahren der Untersuchungshaft für den Beschuldigten mit der Bedeutung der konkreten Strafsache und der zu erwartenden Sanktion abzuwägen.
- Eine Hafbefehl im Sinne von § 114 StPO kann bereits bestehen. Dann spricht man bei Ergreifung durch die Polizei von Verhaftung. Anonsten erfolgt eine vorläufige Festnahme gemäß § 127 StPO. In beiden Fällen ist gemäß den §§ 115, 128 StPO spätestens am nächsten Tag eine Vorführung vor den zuständigen Ermittlungsrichter zu veranlassen. Sie haben dann auch eine Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
Was ist dringender Tatverdacht?
- Dringender Tatverdacht ist gegeben, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte an einer Straftat beteiligt ist.
- Der dringende Tatverdacht beim Haftbefehl ist dem Grade nach stärker als der hinreichende Tatverdacht bei der Anklage. Er darf nur aus bestimmten Tatsachen hergeleitet werden.
- Mit fortschreitender Dauer des Ermittlungsverfahrens steigen die Anforderungen an die Voraussetzungen des dringenden Tatverdachts.
Was sind Haftgründe?
- Bei den Haftgründen ist zu unterscheiden zwischen Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Tatschwere sowie Wiederholungsgefahr.
- Die so genannte Fluchtgefahr ist der Haftgrund, der in der Praxis in Haftbefehlen am häufigsten auftaucht. Fluchtgefahr ist gegeben, wenn bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen werde. Es ist unzulässig, wenn dieser Haftgrund allein auf die Höhe der Straferwartung gestützt wird. Die Straferwartung darf immer nur der Ausgangspunkt der vorzunehmenden Abwägung sein, ob die zur Flucht anreizenden Umstände die hemmenden erheblich überwiegen. Bei der Höhe der Straferwartung ist die mögliche Aussetzung eines Strafrestes zu berücksichtigen. Der Fluchtgefahr entgegenstehen können beispielsweise enge familiäre und sonstige soziale Bindungen, die Berufssituation, die Wohnverhältnisse sowie fehlende Auslandsbeziehungen.
- Der Haftgrund der Flucht besteht dann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält. Das ist der Fall, wenn sich der Beschuldigte von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt absetzt, um für die Ermittlungsbehörden und Gerichte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren unerreichbar zu sein und ihrem Zugriff zu entgehen, oder wenn er sich seinen Aufenthaltsort vor den Behörden verschleiert.
- Verdunkelungsgefahr besteht, wenn durch das Verhalten des Beschuldigten der dringende Verdacht begründet ist, dass er durch bestimmte prozessordnungwidrige Handlungen auf noch nicht hinreichend gesicherte sachliche oder persönliche Beweismittel einwirken und damit die Wahrheitsermittlung erschweren werde.
- Beim Vorwurf einer der in § 112 Abs. 3 StPO aufgeführten Anlasstaten kann auf den Haftgrund der Tatschwere zurückgegriffen werden. In Fällen von Schwerstkriminalität spricht eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dafür, dass Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht.
- Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO ist subsidiär.
Was kann Strafverteidiger machen?
- Ihr Rechtsanwalt wird prüfen, ob der dringende Tatverdacht durch formelle oder materielle Einwendungen sowie durch Beweisanträge erschüttert werden kann.
- Ein auf Fluchtgefahr gestützter Haftbefehl ist gemäß § 116 StPO auszusetzen, wenn der Zweck der Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann, insbesondere durch Meldeauflage und Sicherheitsleistung. Hierbei handelt es sich um eine besondere Ausprägung des in Haftsachen geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bei ausländischen Beschuldigten, die ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben, sind in die Erwägungen der Aufenthaltsstatus und die im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung drohenden ausländerrechtlichen Konsequenzen mit einzustellen. Bei ausländischen Beschuldigten, die keinen festen Wohnsitz im Inland haben, ist es oftmals schwierig, eine Inhaftierung zu vermeiden. Anders verhält sich dies gemäß § 132 StPO nur in Fällen, in denen lediglich eine Geldstrafe droht.
- Auch ein auf Verdunkelungsgefahr gestützter Haftbegefehl kann außer Vollzug gesetzt werden. Als Auflage kommt insbesondere ein Kontaktverbot zu Mitbeschuldigten und Zeugen in Betracht. Außerdem entfällt der Haftgrund, wenn ein glaubhaftes Geständnis abgelegt wird. Diese Auflage kann auch geeignet sein, um bei Wiederholungsgefahr eine Haftverschonung zu erreichen.
Wie geht es nach Haftbefehl weiter?
- Sofern Untersuchungshaft vollzogen wird, kann gemäß § 117 StPO ein Antrag auf mündliche Haftprüfung gestellt werden. Einen Anspruch auf erneute mündliche Haftprüfung hat der Beschuldigte gemäß § 118 StPO aber nur, wenn er sich mindestens drei Monaten in Untersuchungshaft befunden hat und seit der letzten mündlichen Haftprüfung zwei Monate vergangen sind.
- Eine Haftbeschwerde gemäß § 304 StPO ist auch dann statthaft, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird. Wenn nach der Einlegung einer Haftbeschwerde ein Haftprüfungsantrag gestellt wird, wird die Haftbeschwerde wegen des Vorranges der Haftprüfung unzulässig.
- Nach sechsmonatiger Untersuchungshaft prüft das zuständige Oberlandesgericht gemäß den §§ 121, 122 StPO anhand gesetzlicher Kriterien von Amts wegen, ob eine Haftfortdauer zulässig ist. Denn Haftsachen unterliegen in ganz besonderem Maße dem ohnehin für alle Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgebot. Dieses wiederum stellt eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Es empfiehlt sich, dass der Verteidiger zur Frage der Haftfortdauer eine schriftliche Stellungnahme abgibt.
JVA Stadelheim
- In der JVA Stadelheim sind sowohl Untersuchungsgefangene als auch Strafgefangene untergebracht.
- Für die Untersuchungshaft gelten strengere Regeln als in der Strafvollstreckung.
Ist Besuch erlaubt?
- Besucher eines in der JVA Stadelheim untergebrachten Untersuchungsgefangenen benötigen eine schriftliche Besuchserlaubnis der zuständigen Ermittlungsbehörde und sind spätestens einen Tag vorher telefonisch bei der Haftanstalt anzumelden.
- Beim Besuch müssen der erteilte Sprechschein sowie ein gültiger amtlicher Ausweis oder Reisepass vorgelegt werden, damit eine Identitätsfeststellung gewährleistet ist. Führerscheine, Fahrzeugpapiere und aufenthaltsrechtliche Dokumente werden nicht akzeptiert. Es können bis zu drei Personen auf einmal zum Besuch zugelassen werden. Kinder ab drei Jahren zählen als Person.
- Für Strafgefangene braucht man keine Besuchserlaubnis.
Wird Besuch überwacht?
- Der Besuch eines Untersuchungsgefangenen in der JVA Stadelheim wird durch die Haftanstalt oder die Polizei überwacht. Das Führen von verfahrensrelevanten Gesprächen ist nicht erlaubt.
- Bei Ausländern kann angeordnet werden, dass die Unterredung in deutscher Sprache zu führen ist, erforderlichenfalls ist ein vereidigter Dolmetscher hinzuzuziehen. Zuwiderhandlungen führen zum Besuchsabbruch.
Wie lange und oft ist Besuch erlaubt?
- Die Besuchsdauer ist sehr unterschiedlich geregelt. Untersuchungsgefangene dürfen in den ersten drei Monaten zweimal 60 Minuten pro Monat Besuch empfangen, danach zweimal 30 Minuten pro Monat. Sonderbesuche können nur ausnahmsweise zugelassen werden. Bei Strafgefangenen ist Besuch zweimal 30 Minuten oder einmal 60 Minuten pro Monat zulässig. Junge Gefangene dürfen Besucher viermal 60 Minuten pro Monat empfangen.
- Die Besuchszeiten sind Montag bis Donnerstag von 7.30 Uhr Uhr bis 10.00 Uhr und 12.30 Uhr bis 15.00 Uhr sowie Freitag von 08.00 Uhr bis 10.00 Uhr. Feiertage sind hiervon ausgenommen. Außerdem jeder dritte Samstag von 07.30 Uhr bis 10.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.30 Uhr.
Welche Regeln sind zu beachten?
- Wäsche für einen Gefangenen kann am Südtor der JVA Stadelheim in Plastiktüten verpackt abgegeben oder auf dem Postweg in die Haftanstalt geschickt werden. Gebrauchte Wäsche darf nur an der Haupttorwache zum Zwecke der Reinigung abgeholt werden. Bei Betäubungsmitteldelikten ist ein Wäschetausch nicht zulässig.
- Der Postverkehr eines Untersuchungsgefangenen wird überwacht. Gefütterte Umschläge sind nicht erlaubt. Briefe dürfen außerdem keine Aufkleber, Lippenstiftabdrücke oder sonstige Anhaftungen, Bargeld oder Wertgegenstände enthalten. Die Zusendung von Briefmarken ist jedoch bis zu einem Wert in Höhe von 30 Euro gestattet. Die Zusendung oder Abgabe von Paketen ist nur mit einer Paketmarke erlaubt, die der Gefangene auf Antrag erhält. Nahrungs- und Genussmittel dürfen sich nicht im Paket befinden.
- Der Besitz von Medien ist unter Beschränkungen zugelassen. Zeitungen und Zeitschriften müssen direkt vom Verlag im Abonnement an den Gefangenen versendet werden. Fernseh- und Radiogeräte können nur über die JVA Stadelheim bezogen werden.
- Die Übergabe von Gegenständen ist untersagt. Allerdings dürfen zweimal pro Monat bis zu drei Tafeln Schokolade in der Haftanstalt gekauft und an den Gefangenen übergeben werden.
- Einem Gefangenen dürfen Geldbeträge nur mittels Überweisung auf das Konto der Landesjustizkasse Bamberg (Kontoinhaber: LJK Bamberg für JVA München, IBAN: DE34700500000000024919, BIC: BYLADEMM) zugewendet werden. Im Verwendungszweck müssen Vorname, Nachname und Geburtsdatum des Gefangenen angegeben werden.