Polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen
- Wenn die Polizei Ermittlungen wegen dem Verdacht einer Straftat führt, erhält der Beschuldigte in der Regel zunächst eine Vorladung zur Vernehmung.
- Wenn die Ermittlungsbehörden allerdings davon ausgehen, dass in den Wohn- oder Geschäftsräumen des Beschuldigten Beweismittel sichergestellt werden können, erfolgt eine vorherige Durchsuchung. Andernfalls wäre der Untersuchungszweck gefährdet.
- Im schlimmsten Fall kann sogar eine vorläufige Festnahme oder Verhaftung erfolgen. Der Unterschied zwischen den beiden Maßnahmen besteht darin, dass bei der vorläufigen Festnahme noch kein Haftbefehl besteht.
Was passiert nach Festnahme?
- Sofern der Beschuldigte nach seiner Festnahme nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, muss er spätestens am Folgetag dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Es besteht dann ein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger. Die gleichen Grundsätze gelten natürlich auch bei der Verhaftung aufgrund eines bestehenden Haftbefehls.
- Ist eine Vorführung vor den zuständigen Richter nicht möglich, muss eine Vorführung vor den nächsten Richter erfolgen. Die Entscheidungskompetenz des nächsten Richters ist jedoch stark eingeschränkt. Auf Antrag wird daher die Vorführung vor den zuständigen Richter nachgeholt. Dann kann auch ein ortsansässiger Anwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet werden.
- Der zuständige Ermittlungsrichter kann den Vollzug von Untersuchungshaft anordnen oder den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug setzen. Beim Haftgrund der Fluchtgefahr kann ein Strafverteidiger durch die Möglichkeit der Anordnung einer Meldeauflage und der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung eine Haftverschonung erreichen.
Wie sollte sich Beschuldigter verhalten?
- Der Beschuldigte muss einer Vorladung zur Vernehmung nicht Folge leisten. Denn der Beschuldigte hat gemäß § 136 StPO ein umfassendes Schweigerecht. Davon sollte auch unbedingt Gebrauch gemacht werden.
- Ein Beschuldigter ist lediglich verpflichtet, der Polizei seine Personalien mitzuteilen. Denn wer über seinen Vor‑, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert, begeht gemäß § 111 OWiG eine Ordnungswidrigkeit.
- Außerdem hat der Beschuldigte gemäß § 137 StPO das Recht, jederzeit einen Strafverteidiger zu konsultieren. Es empfiehlt sich, dieses Recht auch in Anspruch zu nehmen. Denn nur ein Rechtsanwalt kann den Beschuldigten sach- und fachgerecht beraten. Um Fehler zu vermeiden, sollte daher möglichst frühzeitig einen Fachanwalt für Strafrecht eingeschaltet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen ist die Polizei kein geeigneter Ratgeber für den Beschuldigten.
- Auch außerhalb klassischer Vernehmungssituationen verfolgt die Polizei immer das Ziel, mit dem Beschuldigten über den Tatvorwurf zu reden, um auf diese Art und Weise an belastende Informationen zu gelangen. Das gilt grundsätzlich im Zusammenhang mit jeder behördlichen Ermittlungsmaßnahme, also auch bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung oder Gegenüberstellung. Aber insbesondere in der Stresssituation eines Erstzugriffs im Zusammenhang mit einer Durchsuchung oder Verhaftung kann der zumeist überrumpelte Verdächtige zu schwerwiegenden Fehlern verleitet werden. Denn oftmals merkt der Beschuldigte in einem Gespräch mit der Polizei gar nicht, dass er gerade dabei ist, sich mit seinen Angaben selbst zu belasten. Er unterliegt vielmehr dem Irrtum, dass er durch irgendwelche Erklärungen den Tatverdacht entkräften kann. Und der spätere Widerruf eines Geständnisses ändert nur in Ausnahmefällen etwas an dessen Verwertbarkeit. Es empfiehlt sich daher, bei jedem Kontakt mit der Polizei konsequent zu schweigen und sich zunächst mit einem Anwalt für Strafrecht zu beraten.
- Auch ein scheinbar harmloses Gespräch mit der Polizei kann ohne erkennbaren Bezug zu einer konkreten Ermittlungsmaßnahme im Ergebnis zu einem ungewollten Geständnis führen, das anschließend in einem Aktenvermerk verschriftet wird. Denn Polizeibeamte sind darin geübt, das Gespräch indirekt und vom Beschuldigten unbemerkt auf den Tatvorwurf zu lenken. Verfahrensrelevante Spontanäußerungen sind auch ohne vorherige Belehrung verwertbar. Daher ist jedes Gespräch mit den Ermittlungsbeamten unbedingt zu vermeiden.
- Besondere Vorsicht ist auch dann geboten, wenn die Polizei vorgibt, den Beschuldigten zunächst nur informatorisch oder als Zeugen befragen zu wollen. Denn oftmals sollen hierdurch nur die bestehenden Belehrungspflichten unterlaufen werden. Die Frage der Verwertbarkeit eines Geständnisses hängt dann davon ab, ob die unterlassene Belehrung mithilfe eines Anwalts für Strafrecht nachgewiesen werden kann. Insoweit findet der Zweifelsgrundsatz keine Anwendung. Der Verfahrensverstoß kann im Freibeweisverfahren aufgeklärt werden, beispielsweise durch dienstliche Stellungnahmen der Polizeibeamten.
Wie kann Strafverteidiger helfen?
- Ein Rechtsanwalt erhält von der zuständigen Staatsanwaltschaft Akteneinsicht. Dies allerdings erst dann, wenn die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Andernfalls wäre der Untersuchungszweck gefährdet. Nur in Haftsachen besteht ein Anspruch auf unverzügliche Einsicht in die privilegierten Aktenbestandteile.
- Der Strafverteidiger wird daher einen etwaigen Vernehmungstermin gegenüber der Polizei absagen und eine spätere schriftliche Stellungnahme zum Tatvorwurf ankündigen.
- Es ist ratsam, bereits im Ermittlungsverfahren einen Fachanwalt für Strafrecht zu beauftragen. Denn es ist zwar theoretisch denkbar, dass die zuständige Staatsanwaltschaft auch ohne Zutun eines Anwalts für Strafrecht eine Einstellung verfügt. Wenn sich diese Hoffnung jedoch nicht realisiert, hat man eine möglicherweise bestehende Chance verspielt, durch fachkundige Verteidigungsaktivitäten eines Rechtsanwalts für Strafrecht eine Verfahrenserledigung im Ermittlungsverfahren zu erreichen.
- Spätestens wenn der Betroffene eine Anklage oder einen Strafbefehl erhält, sollte dieser eine Kanzlei für Strafrecht mit der Verteidigung beauftragen. Ein spezialisierter Anwalt kann dann prüfen, ob es möglich ist, eine drohende Verurteilung in der Hauptverhandlung zu vermeiden oder zumindest etwaige Rechtsfolgen abzumildern.