Verstoß gegen § 177 Abs. 5 StGB
- Der Qualifikationstatbestand der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 StGB gilt für alle Grundtatbestände des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 und 2 StGB. Aufgrund der Mindeststrafe handelt es sich um ein Verbrechen.
- Die Strafbarkeit des Versuchs einer sexuellen Nötigung beginnt, wenn der Täter unmittelbar dazu ansetzt, das Zwangsmittel anzuwenden.
- Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch ist möglich bis zum Beginn der sexuellen Handlung. Daher kann bei freiwilliger Abstandnahme eine Strafbarkeit wegen vollendeter Nötigung gemäß § 240 StGB bestehen bleiben.
- Wenn ein zunächst zugesagter einvernehmlicher Sexualkontakt erst im letzen Moment verweigert wird, kann der Sonderstrafrahmen des § 177 Abs. 9 StGB eröffnet sein. Ein lediglich freizügiges oder leichtsinniges Opferverhalten führt jedoch nicht zur Annahme eines minder schweren Falles.
Welche Tatmittel gibt es?
- Tatmittel sind Gewalt, Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie das Ausnutzen einer schutzlosen Lage.
- Es ist nicht erforderlich, dass durch das vom Täter eingesetzte Zwangsmittel ein entgegenstehender Opferwille überwunden wird.
- Beim Ausnutzen einer schutzlosen Lage bedarf es keines Nötigungselements. Denn hier besteht das Zwangsmittel darin, dass die Furcht des Opfers vor Gewalthandlungen des Täters ausgenutzt wird.
- Es ist kein Finalzusammenhang zwischen der Nötigungshandlung und dem Sexualkontakt notwendig. Allerdings kann dieser erweiterte Anwendungsbereich nur beim Nötigungsmittel der Gewalt eine Rolle spielen, da das Opfer in sonstigen Zwangssituationen die sexuelle Handlung nicht vornehmen würde.
- Es muss allerdings eine Mittel-
Zweck- Beziehung zwischen Gewalt und dem Sexualkontakt bestehen. Die Nötigung kann also Teil der sexuellen Handlung sein und muss dieser nicht vorausgehen, um sie zu ermöglichen. Die Qualifikation liegt daher auch dann vor, wenn der Zwang kein Nötigungsmittel darstellt, sondern nur der eigenen Luststeigerung dient. Ein bloß zusammenhangloses Nebeneinander genügt gleichwohl nicht. Die Zwangshandlung muss spätestens bis zum Abschluss der sexuellen Handlung erfolgt sein.
Gewalt
- Gewalt gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB ist jede Form der Krafteinwirkung auf den Körper des Opfers, die von diesem als körperlicher Zwang empfunden wird.
- Ausreichend ist bereits das Niederdrücken des Tatopfers durch den Einsatz des eigenen Körpergewichts, das Zupressen des Mundes oder das heimliche Verabreichen von Rauschmitteln, insbesondere Liquid Ectasy.
- Bereits das Einsperren des Opfers kann Gewalt darstellen, in der Regel ist damit jedenfalls die konkludente Drohung verbunden, etwaigen Widerstand durch Gewalt zu beugen.
- Das bloße Herunterreißen der Kleidung erfüllt für sich genommen den Tatbestand aber noch nicht.
- Gewalt gegen Sachen genügt ebenfalls nicht, es sei denn, dass dadurch eine unmittelbare körperliche Zwangswirkung auch auf das Opfer selbst ausgeübt wird. Gleiches gilt für Gewalt gegen Dritte.
- Körperkontakt im Zusammenhang mit einer sexuellen Handlung ist nicht zwingend gleichzusetzen mit Gewaltausübung.
Drohung
- Eine Drohung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter ein Übel in Aussicht stellt, auf dessen Verwirklichung er sich Einfluss zuschreibt. Erforderlich ist aber eine gewisse Schwere des angedrohten Angriffs auf die körperliche Unversehrtheit.
- Die tatsächliche Verwirklichung des Übels ist nicht notwendig. Es reicht aus, wenn das Opfer die Drohung ernst nimmt.
- Die Drohung kann auch durch konkludentes Verhalten zum Ausdruck kommen, beispielsweise durch Gesten oder drohende Blicke. Eine schlüssige Drohung kommt auch bei vorangegangener Gewaltanwendung in Betracht, sofern Gewaltanwendung und Sexualkontakt zeitliche nicht zu weit auseinander liegen.
- Kein Drohung liegt vor, wenn Gewalt nur für den Fall der späteren Offenbarung des sexuellen Missbrauchs angekündigt wird.
- An der erforderlichen Gegenwärtigkeit der Drohung fehlt es, wenn die Gefahr nicht unmittelbar bevorsteht. Ein geringer zeitlicher Abstand ist jedoch unschädlich.
- Die Drohung muss sich gegen das Missbrauchsopfer selbst richten. Drohungen gegenüber oder zu Lasten Dritter reichen nicht aus. Bei Drohungen zu Lasten naher Angehöriger kann allerdings ein sonstiger besonders schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 6 StGB vorliegen.
Schutzlose Lage
- Tathandlung kann gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB auch das Ausnutzen einer schutzlosen Lage sein. Erforderlich ist, dass das Opfer unter dem Eindruck eines tatsächlich vorhandenen schutzlosen Ausgeliefertseins aus Angst vor möglichen Gewalteinwirkungen des Täters keinen Widerstand ausübt.
- Es müssen erhebliche Eingriffe in die Rechtsgüter Leib oder Leben drohen, namentlich also Körperverletzungsdelikte oder Tötungsdelikte, da es sich um einen Auffangtatbestand zu § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB handelt. Andernfalls kommt nur eine Nötigung nach § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB in Betracht.
- Das Opfer ist schutzlos ausgeliefert, wenn die Verteidigungs- und Ausweichsmöglichkeiten aus objektiver Sicht in einem erheblichen Maß gemindert sind. Falls das Gefühl der Schutzlosigkeit auf einer Fehleinschätzung des Opfers beruht, ist die Qualifikation jedoch nicht erfüllt. Allerdings reicht es aus, wenn das Opfer starr vor Schreck ist.
- Wenn anwesende Dritte nicht schutzbereit sind, muss der Täter zur Tatbestandserfüllung auch keinen Ortswechsel herbeiführen.
- Es ist außerdem nicht notwendig, dass die schutzlose Lage durch den Täter verursacht worden ist, sondern die Situation kann auch vorgefunden und dann ausgenutzt werden.