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Verkehrsgefährdung
- Bei der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Anders als beim Straßenverkehrseingriff gemäß § 315b StGB, der vornehmlich Beeinträchtigungen von außen abwehren soll, werden durch den Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung falsche Verhaltensweisen von Fahrzeugführern im ruhenden und fließenden Verkehr sanktioniert. In der Regel führt eine Zuwiderhandlung zur Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
- Bei Verstößen gegen die Sicherungspflicht in Richtung auf haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge kann auch ein Dritter tauglicher Unterlassungstäter sein.
- Den Tatbestand erfüllt, wer im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er fahruntüchtig ist, oder grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine der sieben Todsünden im Straßenverkehr begeht und dadurch eine Gefahr für eine andere Person oder fremde Sache von bedeutendem Wert verwirklicht.
- Bei der Bewertung, ob sich die Tat im öffentlichen Verkehrsraum ereignet hat, sind die verkehrsrechtlichen und nicht die wegerechtlichen Vorschriften maßgeblich.
- Fahrzeug im Sinne der Vorschrift ist jedes Fortbewegungsmittel, also auch ein Fahrrad. Die Fahrzeugführung setzt einen Bewegungsvorgang voraus. Das bloße Anlassen des Motors genügt daher nicht. Allerdings ist die Entfaltung von Motorkraft auch nicht zwingend erforderlich.
- Eine konkrete Gefährdung ist gegeben, wenn der Eintritt der Verletzung nur noch vom Zufall abhängt. Der Täter selbst ist nicht tauglicher Gefährdeter im Sinne der Vorschrift, wohl aber der Beifahrer, es sei denn, er ist gleichzeitig Anstifter oder Gehilfe. Auch das vom Täter geführte Fahrzeug ist kein taugliches Gefährdungsobjekt, selbst wenn es im fremden Eigentum steht. Ein bedeutender Wert wird ab EUR 1.300,- angenommen.
- Anders als bei der Trunkenheit im Verkehr handelt es sich grundsätzlich nicht um ein Dauerdelikt. Allerdings liegt auch bei mehreren Straßenverkehrsgefährdungen nur eine Tat vor. Eine Fahrerflucht nach Verkehrsunfall oder sonstige längere Fahrtunterbrechungen entfalten jedoch eine Zäsurwirkung. Die Einheitlichkeit wird dann durch den neu gefassten Tatentschluss der Weiterfahrt aufgehoben. Der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wird daher tatmehrheitlich verwirklicht.
Alkoholkonsum?
- Für die Fahruntüchtigkeit wegen Alkohol gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB.
- Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille ordnet die Führerscheinstelle im Zusammenhang mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist die Beibringung einer medizinisch-
psychologischen Untersuchung (MPU) an.
Drogenkonsum?
- Bei Fahruntüchtigkeit nach vorangegangenem Cannabiskonsum gilt der Grenzwert von 3,5 ng/
ml THC im Blutserum gemäß § 24a Abs. 1a StVG. Es handelt sich jedoch nicht um einen absoluten Grenzwert. - Hinsichtlich anderer Rauschmittel gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Lit. a Alt. 2 StGB gibt es überhaupt keine gesetzlich geregelten Grenzwerte. Zu den Rauschmitteln gehören grundsätzlich alle in den Anlagen I bis III des BtMG aufgezählten Substanzen. Diese Stoffe können auch in Arzneimitteln enthalten sein. Zu den Rauschmitteln zählen auch neue psychoaktive Stoffe.
- Hinsichtlich dieser Rauschmittel hat die Grenzwertkommission Empfehlungen ausgesprochen: Morphin (10 ng/
ml), Cocain (10 ng/ ml), Benzoylecgonin (75 ng/ ml), XTC (25 ng/ ml), MDE (25 ng/ ml), MDMA (25 ng/ ml), Amphetamin (25 ng/ ml), Metamfetamin (25 ng/ ml), Methylendioxyamfetamin (25 ng/ ml). - Bei Cannabis und sonstigen Rauschmitteln muss für eine Verurteilung immer der Nachweis geführt werden, dass der Fahrzeugführer aufgrund des Genusses berauschender Mittel fahruntüchtig gewesen ist. Erforderlich sind demnach ein drogenbedingter Fahrfehler oder sonstige Ausfallerscheinungen. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB.
- Allein aufgrund allgemeiner Merkmale des Drogenkonsums (gerötete Augen, verwaschene Sprache, erweiterte Pupillen, etc.) kann jedoch nicht zwingend auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Maßgebliche Entscheidungsgrundlage für das Gericht sind insoweit die Feststellungen der kontrollierenden Polizeibeamten und des mit der Blutprobenentnahme beauftragten Arztes.
Geistige oder körperliche Mängel?
- Fahruntauglichkeit kann gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB auch durch geistige oder körperliche Mängel begründet sein.
- In Betracht kommen insoweit insbesondere altersbedingte psychofunktionale Leistungsdefizite, Erkrankungen oder Übermüdung.
- Bei der Übermüdung ist ein Zustand erforderlich, der für den Fahrer die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafes mit sich bringt. In der Regel wird hier ein rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen sein.
- Bei Erkrankungen, die sich nicht ständig auswirken, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit an.
Schwerer Verkehrsverstoß?
- Schwere Verkehrsverstöße sind in § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. a‑g StGB aufgelistet: Nichtbeachtung der Vorfahrt, Fehlverhalten bei Überholvorgängen, Fehlverhalten an Fußgängerüberwegen, Fahrtgeschwindigkeit an bestimmten Stellen, Nichteinhalten der rechten Fahrbahnseite an unübersichtlichen Stellen, Geisterfahrten, Fehlverhalten beim Kenntlichmachen von Fahrzeugen.
- Der Begriff der Vorfahrt ist nicht im Sinne von § 8 StVO, sondern erweitert zu verstehen.
- Verstöße beim Überholen können auch durch den Überholten begangen werden.
- Der Begriff der Geschwindigkeit ist relativ zu verstehen, d. h. das Fahrtempo kann auch unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu schnell sein, wenn die Verkehrssituation eine niedrigere Geschwindigkeit erfordert.
- Die vorstehend aufgezählten Fehlverhaltensweisen müssen grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangen worden sein. Grob verkehrswidrig ist ein Verhalten, das objektiv besonders gefährlich gegen Verkehrsvorschriften verstößt. Rücksichtslos handelt, wer sich entweder eigensüchtig über bekannte Rücksichtspflichten hinwegsetzt, oder wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Fahrerpflicht nicht besinnt und unbekümmert um mögliche Folgen drauf losfährt. Das äußere Tatgeschehen allein reicht für die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit nicht aus. Keine Rücksichtslosigkeit liegt vor bei einem Augenblicksversagen, bei Handlungen aus Bestürzung, Schrecken, sonstiger Erregung oder falscher Lagebeurteilung.
Beinaheunfall?
Nach der Rechtsprechung des BGH (4 StR 155/
- setzt eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB in allen Tatvarianten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus.
- Das ist gegeben, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht.
- Ein Beinaheunfall ist ausreichend. Davon spricht man bei einem Geschehen, das nach der Einschätzung eines unbeteiligten Beobachters gerade noch einmal gut gegangen ist.
- Für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt es daher nicht, dass sich Menschen oder Sachen in enger räumlicher Nähe zum Täterfahrzeug befunden haben.
- Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete, etwa aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktion, noch zu retten vermochte.
Verkehrseingriff
- Während die Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c StGB betriebsinterne Verhaltensweisen unter Strafe stellt, schützt der Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs vor verkehrsfremden Eingriffen, also vor Verhaltensweisen, die von außen einwirken.
- Allerdings werden im Einzelfall auch Handlungsweisen erfasst, die innerhalb des Straßenverkehrs vorgenommen werden. Das wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn der Verkehrsteilnehmer den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr pervertiert.
- Voraussetzung ist eine grobe Einwirkung von einigem Gewicht mit verkehrsfeindlicher Absicht und Schädigungsvorsatz.
- Ausnahmsweise liegt ein Straßenverkehrseingriff auch bei äußerlich verkehrsgerechtem Verhalten vor, wenn der Täter unter Ausnutzung der Unachtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer oder unübersichtlicher Verkehrssituationen zum Zwecke der späteren Schadensregulierung mit Absicht einen Unfall provoziert.
- Die Sicherheit des Straßenverkehrs ist aber nicht gefährdet, wenn sämtliche Beteiligte einvernehmlich zum Zwecke eines Versicherungsbetruges gemäß § 263 StGB handeln.
- Sofern bestimmte überschießende Absichten des Täters vorliegen, qualifiziert sich die Tat zum Verbrechen. Beim Vorliegen von Fahrlässigkeit in Richtung auf das Eingriffsverhalten und/
oder den Gefährdungserfolg ändert sich der Strafrahmen ebenfalls.
Öffentlicher Verkehrsraum?
- Die Tat muss sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignen. Auf die Eignung für bestimmte Verkehrsarten oder die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an.
- So liegt öffentlicher Straßenverkehr auch in einem Parkhaus während der regulären Öffnungszeiten vor, nicht aber auf einem der Allgemeinheit nicht offen stehendem Betriebsgelände.
- Es ist unerheblich, wenn sich die konkrete Gefährdung oder der Schaden erst außerhalb der öffentlichen Verkehrsraumes realisieren, sofern die abstrakte Gefahr noch im Straßenverkehr durch eine unmittelbares Ansetzen des Täters verwirklicht worden ist.
Anlagen und Fahrzeuge?
- Zu den Fahrzeugen gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB zählen alle Fortbewegungsmittel ohne Rücksicht auf die Antriebsart, also auch Straßenbahnen, Fahrräder und Krankenfahrstühle.
- Anlagen gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB stellen unter anderem Verkehrszeichen, Straßen und Verkehrsschilder dar.
- Strafrechtlich relevante Einwirkungen sind das Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen. Nachdem eine Sabotageabsicht keine zwingende Voraussetzung ist, kann der Fahrlässigkeitstatbestand auch durch mangelhaft durchgeführte Wartungsarbeiten begründet werden.
Hindernis?
- Wer eine Straßensperre errichtet oder sein Fahrzeug absichtliche scharf abbremst bereitet ein Hindernis gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Ähnlicher Eingriff?
- Beispiele für ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB sind: Gegenständen von einer Brücke auf Fahrzeuge werfen, Altöl auf die Fahrbahn schütten, Abziehen des Zündschlüssel während der Fahrt durch den Beifahrer, Rammen des vorausfahrenden Fahrzeuges.
- Eine Tatbegehung ist auch durch Unterlassen möglich.
Konkrete Gefahr?
- Eine konkrete Gefahr ist gegeben, wenn das Ausbleiben eines Schadens nach objektiv nachträglicher Prognose als zufällig zu bewerten ist.
- Es ist nicht erforderlich, dass neben der Gefährdung der Tatobjekte eine weitere Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs eintritt. Die Gefahr muss sich jedoch verkehrsspezifisch auswirken. Hieran fehlt es, wenn die konkrete Gefährdung in keiner inneren Verbindung mit der Dynamik des Straßenverkehrs steht.
- Ebenso wenig bedarf es einer zeitlichen Zäsur zwischen Eingriff und Gefährdung.
- Die Wertgrenze bei der Gefährdung von fremden Sachen liegt bei EUR 1.300,-. Ein tatsächlich eingetretener Schaden kann geringer sein als der Gefährdungsschaden.