Nötigung » § 240 StGB
- Die Straßenblockade stellt eine Protestform dar, durch die Demonstranten auf Missstände aufmerksam machen möchten. Um auf die nachteiligen Folgen des Klimawandels und die unzureichenden Maßnahmen der Regierung hinzuweisen, haben Klimaaktivisten die aus Zeiten der “Friedensbewegung” bekannte Sitzblockade modifiziert. Aktuell kleben sich Klima-
Demonstranten auf Straßen fest, um dadurch Autofahrer zu blockieren. - Der Straftatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB ist erfüllt, wenn eine andere Person durch Gewalt zu einer Handlung gezwungen wird.
- Die frühere Rechtsprechung hat bei einer Straßenblockade Gewalt nicht nur dann angenommen, wenn mit physischer Kraft auf das Tatopfer eingewirkt und ein physisch wirkender Zwang ausgeübt wurde, sondern auch dann, wenn eine nur psychische Einwirkung zu einem unwiderstehlichen inneren Zwang führte.
- Nach aktueller Rechtsprechung (1 BvR 388/
05) liegt keine Gewalt vor, wenn Demonstranten durch die bloße Anwesenheit auf der Fahrbahn, Autofahrer zum Anhalten zwingen. Das gilt aber nur für das erste Auto. Denn ab dem zweiten Fahrzeug wirkt nicht nur die innere Hemmung, sondern auch das vorne stehende Auto mittelbar als physische Sperre. Das erste Fahrzeug wirkt also als Werkzeug einer von den Demonstranten mittelbar ausgeübten Gewalthandlung gegen alle nachfolgenden Fahrzeuge. - Für die Frage der Rechtswidrigkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB kommt es nicht auf das Fernziel, also Weltfrieden oder Klimarettung, sondern nur auf das Tatziel an. Dieser Grundsatz findet auch dann Anwendung, wenn das Tatziel (Blockade des Autoverkehrs) mit dem Fernziel (Klimarettung) in einem allgemeinen Sachzusammenhang steht. Eine Strafbarkeit besteht aber nicht, wenn die Straßenblockade nur lediglich eine unwesentliche Zeit andauert und entweder die Demonstranten selbst oder Polizeibeamten die Blockade innerhalb kurzer Zeit beenden.
Widerstand gegen Polizei » § 113 StGB
- Der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB setzt voraus, dass der Täter gegen einen Polizisten, der gerade eine Diensthandlung ausführt, mit Gewalt Widerstand leistet.
- Das Sitzen oder Festkleben auf der Fahrbahn stellt keine taugliche Widerstandshandlung dar. Das gilt beim Festkleben jedenfalls dann, wenn die Fixierung vor dem Beginn der Diensthandlung erfolgt ist. Denn den Kleber können Polizeibeamte durch Seifenlauge entfernen und rein passiver Widerstand ist nicht strafbar.
- Wenn ein Demonstrant sich gegen seine Verbringung sperrt oder sich irgendwo festhält, ist der Gewaltbegriff jedoch erfüllt.
Straßenverkehrseingriff » § 315b StGB
- Der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB ist erfüllt, wenn ein Hindernis bereitet wird und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden.
- Die Gefährdung eines anderen Menschen könnte beispielsweise dadurch eintreten, dass aufgrund des Verkehrsstaus Rettungsfahrzeuge aufgehalten werden.
- Problematisch in diesen Konstellationen ist der Nachweis der Kausalität.
- Die gleichen Grundsätze gelten für die Körperverletzungsdelikte gemäß den §§ 223 ff. StGB.
- Autofahrern, die keine Rettungsgasse bilden, drohen wegen der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß den §§ 38 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO Bußgelder, Punkte und die Verhängung eines Fahrverbots.
Polizeigewahrsam » Art. 17 PAG
- Gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern. Der Gewahrsam muss aber verhältnismäßig sein.
- Die Annahme, daß eine Person eine Straftat begeht oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, daß die Person die Begehung angekündigt hat.
- Art. 17 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG stellt dagegen auf die Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut ab. Diese Gefahr muss zwar nicht unmittelbar bevorstehen, aber konkretisiert sein. Die Vorschrift wurde als Reaktion auf die Bedrohungslage durch Personen aus dem terroristischen Spektrum eingeführt. Auch diese Form des Gewahrsams muss verhältnismäßig sein.
- Wenn ein Klimaaktivist ankündigt, sich erneut an der Fahrbahn festzukleben, stellt sich die Frage, ob dann tatsächlich für den Zeitraum der möglichen Höchstdauer des präventiven Gewahrsams von einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr ausgegangen werden darf. Oder, ob nur ein wiederholter kurzfristiger Gewahrsam gerechtfertigt ist. Oder, ob die allgemeine Möglichkeit eines Verkehrsstaus eine hinreichend konkretisierte Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut darstellt.
- In der bayrischen Verwaltungspraxis wird oftmals pauschal die Höchstdauer ausgeschöpft. An dieser Verwaltungspraxis ist unter anderem bedenklich, dass die lange Dauer des präventiven Gewahrsams im heftig kritisierten Gesetzgebungsverfahren mit terroristischen Gefahren gerechtfertigt worden ist. Polizeibehörden wenden Gewahrsam daneben auch sehr gerne in Fällen von häuslicher Gewalt an.
- Die Polizei muss gemäß Art. 18 BayPAG unverzüglich eine richterliche Entscheidung nach Art. 97 BayPAG herbeiführen.
- Die Dauer der Freiheitsentziehung darf gemäß Art. 20 BayPAG nicht mehr als einen Monat betragen. Allerdings ist eine Verlängerung bis zu einer Gesamtdauer von zwei Monaten möglich.
- Dem Betroffenen ist für die Dauer des Vollzugs der Freiheitsentziehung ein anwaltlicher Vertreter als Bevollmächtigter zu bestellen.