Exhibitionistische Handlungen » § 183 StGB
- Exhibitionistische Handlungen von männlichen Tätern werden durch den Straftatbestand des § 183 Abs. 1 StGB pönalisiert. Gemäß § 183 Abs. 2 StGB wird die Tat nur auf Antrag oder bei Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses verfolgt.
- Wenn die exhibitionistische Handlung nur der Vorbereitung eines sexuellen Übergriffs dient, ist die Vorschrift nicht anwendbar.
- Bei Exhibitionisten ist immer die Schuldfähigkeit gemäß den §§ 20, 21 StGB zu prüfen. Eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB oder in der Psychiatrie gemäß § 63 StGB ist wegen des niedrigen Strafrahmens in der Regel ausgeschlossen.
Wann ist Entblößung strafbar?
- Erfasst werden insbesondere Entblößungshandlungen gegenüber einer anderen Person ohne deren Einverständnis, mit dem Ziel, sich hierdurch sexuell zu erregen.
- Die Tat setzt keine öffentliche Begehung voraus, wohl aber die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Täter und Opfer.
- Zwar kommt es grundsätzlich nicht auf die Entfernung an, eine Übertragung durchs Internet ist aber nicht tatbestandserfüllend.
- An der erforderlichen Belästigung fehlt es, wenn die Handlung bei der anderen Person nur Verwunderung auslöst oder sie die sexuelle Bedeutung des Vorgangs nicht erkennt. Je mehr der Täter die sonst charakteristische Distanz zum Opfer unterschreitet, desto näher liegt die Annahme einer Belästigung.
- Subjektiv ist hinsichtlich der sexuellen Tendenz Absicht, betreffend der Wahrnehmung direkter Vorsatz und in Bezug auf die Belästigung Eventualvorsatz notwendig.
- Wenn der Täter gleichzeitig mit der Entblößungshandlung an seinem Geschlechtsteil manipuliert, ist der Nachweis der sexuellen Motivation unproblematisch.
- Ansonsten kommt es darauf an, ob die Entblößungshandlung aus Sicht eines objektiven Beobachters unzweifelhaft in einem sexuellen Kontext steht. Das ist der Fall, wenn der Täter die Aufmerksamkeit des Opfers gezielt auf sein Geschlechtsteil als Sexualorgan lenkt. Daran fehlt es beim bloßen Urinieren.
Was gilt gegenüber Kindern?
- Es ist fraglich, ob bei reinen Entblößungshandlungen, also ohne gleichzeitige Manipulation am Geschlechtsteil, gegenüber Kindern die Erheblichkeitsschwelle für eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB überschritten ist.
- Für eine Bestrafung wegen exhibitionistischer Handlungen wäre es allerdings erforderlich, dass das Kind das Geschehen als sexualbezogene Handlung verstanden und sich dadurch belästigt gefühlt hat.
- Je jünger das Kind ist, desto genauer ist das Verständnis der sexuellen Motivation zu prüfen.
- Weiterhin ist das Gefühl der Belästigung von kindlicher Neugier abzugrenzen. Nicht ausreichend ist, wenn die Belästigung zu einem späteren Zeitpunkt bei den Eltern durch den Bericht des Kindes eintritt. In solchen Fällen wird man auch prüfen müssen, inwieweit das im Rahmen einer Anhörung gegenüber den Ermittlungsbehörden kommunizierte Verständnis des Kindes durch Empörung Dritter möglicherweise nachträglich beeinflusst worden ist.
Ist Bewährung möglich?
- Trotz Rückfallgefahr kann gemäß § 183 Abs. 3 StGB eine Strafaussetzung zu Bewährung erfolgen, wenn der Täter sich einer Heilbehandlung unterzieht. Es handelt sich insoweit um eine Sonderregel für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB. Einer Aussetzung zur Bewährung steht daher nicht die Gefahr entgegen, dass bis zum erfolgreichen Abschluss der Therapie die Begehung weiterer exhibitionistischer Handlungen möglich erscheint.
- Bei der Verhängung einer Gesamtstrafe kommt es darauf an, ob der Schwerpunkt des Unrechts auf der exhibitionistischen Handlung liegt.
- Eine neue exhibitionistische Tat rechtfertigt für sich genommen keinen Bewährungswiderruf. Es ist dann eine weitere Bewährung auszusprechen. Anders verhält es sich, wenn die Heilbehandlung nicht begonnen, abgebrochen oder erfolglos beendet worden ist.
- Bei Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren müssen zusätzlich besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB vorliegen.
- Die Sonderregel für die günstige Sozialprognose kann gemäß § 183 Abs. 4 StGB auch bei exhibitionistisch motivierten andere Taten Anwendung finden.
Wann ist DNA- Beschluss zulässig?
- Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Sexualstraftat verdächtig, können ihm gemäß § 81g StPO zur DNA-
Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden. - Die Entnahme und Untersuchung von Körperzellen ist sowohl im laufenden Strafverfahren also auch nach rechtskräftiger Verurteilung zulässig. Genau wie bei den Identifizierungsmaßnahmen gemäß § 81b Alt. 2 StPO handelt es sich um eine erkennungsdienstliche Maßnahme.
- Im Gegensatz hierzu stehen Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß § 81b Alt. 1 StPO. Allerdings sind insoweit keine körperlichen Untersuchungen im Sinne von § 81a StPO zulässig.
Straftat erheblicher Bedeutung
- Voraussetzung ist, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Insoweit kann die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen. Zu den Straftaten erheblicher Bedeutung zählen neben Verbrechen auch schwerwiegende Vergehen, bei denen der Täter Körperzellen absondern könnte.
Sexualstraftat
- Bei einer Anlasstat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist es nicht erforderlich, dass diese zusätzlich noch von erheblicher Bedeutung ist. Auch exhibitionistische Handlungen sind daher grundsätzlich eine geeignete Anlasstat.
- Beim Besitz von Kinderpornographie mittels Speicherung auf einem Rechner ist dagegen zu bedenken, dass derartige Straftaten nicht durch einen DNA-
Spurenvergleich aufgeklärt werden können. Allerdings wird die Vorschrift des § 184b StGB als Risikotatbestand dahingehend eingeordnet, dass der Täter eine Neigung zu späteren sexuellen Übergriffen in sich trägt. Zwar ist dies wissenschaftlich nicht eindeutig belegt, jedoch steht dem Gesetzgeber insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. - Die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe steht der Negativprognose zwar nicht grundsätzlich entgegen, allerdings bedarf es für die Annahme einer Wiederholungsgefahr positiver und einzelfallbezogener Gründe, da die Strafaussetzung zur Bewährung zumindest ein Indiz dafür begründet, dass es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit für eine erneute Straffälligkeit fehlt. Insoweit gilt das Freibeweisverfahren mit Aufklärungspflicht. Gleiches gilt bei lange zurückliegenden Straftaten.
- Bei Jugendlichen ist eine besonders sorgfältige Abwägung geboten.
Beschwerde
- Nach Erschöpfung des Rechtsweges ist gegen einen DNA-
Beschluss eine Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht zulässig. Denn die Anordnung der Entnahme und molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren stellt einen staatlichen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieses Recht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes eingeschränkt werden. Diesem Schrankenvorbehalt trägt die gesetzliche Regelung des § 81g StPO Rechnung.
Erregung öffentlichen Ärgernisses » § 183a StGB
- Wenn Provokation die Motivation einer exhibitionistischen Handlung darstellt, kann die Tat als Erregung öffentlichen Ärgernisses gemäß § 183a StGB strafbar sein. Voraussetzung ist die Vornahme einer öffentlichen sexuellen Handlung.
Was bedeutet Öffentlichkeit?
- Das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit setzt voraus, dass der sexuelle Übergriff von einem zahlenmäßig unbestimmten Personenkreis oder von einem zwar bestimmten Personenkreis, aber ohne persönliche Beziehungen der Teilnehmer zueinander, wahrgenommen werden könnten.
- Geeignete Vorkehrungen des Täters, die dazu dienen die Wahrnehmung anderer Personen zu verhindern, können einer Öffentlichkeit entgegen stehen.
- Wenn zwei Personen den Geschlechtsverkehr im Auto auf einem entlegenen Parkplatz vollziehen, könnte dies gegen eine Tatbestandsverwirklichung sprechen. Anders verhält es sich, wenn das Kraftfahrzeug auf dem Parpklatz eines Supermarktes zu den allgemeinen Öffnungszeiten abgestellt wird.
- Auf die Öffentlichkeit des Tatorts kommt es aber nicht an.
- Die sexuellen Handlungen können grundsätzlich auch im Internet visuell übertragen werden.
- Wenn zwei Personen im Auto auf einem entlegenen Parkplatz den Geschlechtsverkehr vollziehen, könnte dies mangels Öffentlichkeit gegen eine Tatbestandsverwirklichung sprechen. Anders verhält es sich, wenn das Kraftfahrzeug auf dem Parkplatz eines Supermarktes zu den allgemeinen Öffnungszeiten abgestellt wird.
Was ist ein Ärgernis?
- Das Ärgernis muss durch einen unmittelbaren persönlichen Eindruck erregt werden. Es genügt nicht, wenn sich der Beobachter erst durch späteres Nachdenken oder aufgrund von Erzählungen Dritter verletzt fühlt.
- Individuelle Überempflindlichkeiten haben außer Betracht zu bleiben. Das Auslösen von Interesse oder Belustigung reicht nicht aus.
Welches Verhalten ist strafbar?
- Sogenannte Flitzer bei sportlichen Großereignissen werden mangels sexueller Handlung nicht vom Tatbestand erfasst. Denn die bloße Nacktheit ist keine sexuelle Handlung.
- Auch mündliche oder schriftliche Äußerungen sind mangels sexueller Handlung nicht tatbestandsmäßig.
- Beim Austausch von Intimtäten zwischen zwei Personen ist die Erheblichkeitsschwelle erst beim Vollzug des Geschlechtsverkehrs oder vergleichbaren Handlungen überschritten.