Inhalt:
Verstoß gegen § 238 StGB
- Belästigende Verhaltensweisen werden umgangssprachlich oftmals als Stalking bezeichnet. In diesem Zusammenhang typische Handlungen werden zwar überwiegend bereits durch Straftatbestände sanktioniert. Beispiele hierfür sind die Bedrohung gemäß § 241 StGB, der Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB, die Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB, die Körperverletzung gemäß § 223 StGB, die Beleidigung gemäß § 185 StGB, die unbefugte Herstellung von Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB sowie Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz (GewSchG).
- Der neu geschaffene Straftatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB soll aber einen noch effektiveren Opferschutz gewährleisten, indem bestehende Regelungslücken geschlossen werden. Denn Stalking unterhalb der Eingriffsschwelle eines der genannten Straftatbestände konnte früher nur durch die Einschaltung der Zivilgerichte abgewehrt werden.
- Bei der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB gibt es fünf verschiedene gesetzlich normierte Tathandlungen. Der Täter handelt unbefugt, wenn er gegen den Willen des Opfers agiert.
- Die Vorschrift des § 238 Abs. 2 StGB ermöglicht einen erhöhten Strafrahmen, wenn der Täter das Opfer oder bestimmte andere Personen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. Gemäß § 238 Abs. 3 StGB handelt es sich um ein Verbrechen, wenn sich die Todesgefahr realisiert.
Welches Verhalten ist strafbar?
- Das Aufsuchen räumlicher Nähe gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, dass das Opfer den Täter wahrnimmt. Dieser kann auch heimlich agieren. Nicht ausreichend ist es, wenn der Täter lediglich in die gleiche Stadt zieht. Wenn das Opfer den Kontakt mit dem Täter erfolgreich vermeidet, entfällt der Tatbestand. Es ist nicht erforderlich, dass die herbeigeführte Nähe zur Kontaktaufnahme ausgenutzt wird. Zufällige Begegnungen sind jedoch straflos.
- Auch der Versuch, unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln (Telefon, Fax, SMS, Email) oder sonstigen Mitteln der Kommunikation, insbesondere Postsendungen, oder offen über Dritte Kontakt aufzunehmen, stellt gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB eine Form des Nachstellens dar.
- Ebenso gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen oder die verdeckte Veranlassung Dritter zur Kontaktaufnahme. Bei dieser Variante werden personenbezogene Daten des Opfers missbräuchlich zur Tatbestandsbegehung eingesetzt.
- Auch die Bedrohung des Opfers selbst oder einer ihm nahe stehenden Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit wird gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfasst. Erklärungsempfänger kann nur das Tatopfer sein. Es ist unerheblich, ob die Bedrohung ernst gemeint ist oder ernst genommen wird.
- Schließlich soll mit § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch die Vornahme anderer vergleichbarer Handlungen durch einen Auffangtatbestand erfasst werden. Hierunter fällt beispielsweise das Schalten einer inhaltlich falschen Todesanzeige. Es ist jedoch fraglich, ob die Vorschrift insoweit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt.
Was bedeutet Beharrlichkeit?
- Beharrlichkeit versteht man ein im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellendes wiederholtes Handeln aus bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willens des Tatopfers.
- Eine in jedem Einzelfall Gültigkeit beanspruchende Mindestanzahl gibt es nicht. Es kann auch eine einmalige Wiederholung ausreichen. Weiterhin kommt es auf den zeitlichen Abstand und den inneren Zusammenhang an.
Was ist Beeinträchtigung?
- Eine schwerwiegende Beeinträchtigung ist gegeben, wenn das Nachstellen die Lebensgestaltung nachhaltig einschränkt.
- In Betracht kommen insoweit Umzug, Arbeitsplatzwechsel und Veränderungen im Sozialverhalten. Der Wechsel der Telefonnummer dürfte jedoch nicht ausreichen.
Ist Nebenklage zulässig?
- Die nebenklagefähigen Delikte sind in § 395 StPO aufgezählt. Die Nachstellung gemäß § 238 StGB berechtigt den Verletzung zum Anschluss als Nebenkläger.
- Der Nebenkläger kann als Zeuge vernommen werden. Er hat das Recht, zu seiner Vernehmung einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand hinzuzuziehen. Unter den Voraussetzungen von § 68b StPO wird auch ein Rechtsanwalt beigeordnet.
- Der Anschluss als Nebenkläger ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Auch ohne Anschluss als Nebenkläger kann sich das Opfer einer nebenklagefähigen Straftat des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Gleiches gilt für den durch ein nicht nebenklagfähiges Delikt Verletzten.
- Unter den Voraussetzungen von § 397a StPO kann dem Nebenkläger ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt werden.
- Einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Nebenkläger steht nach § 187 GVG ein Anspruch auf unentgeltliche Dolmetscherleistung zu.
- Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung nach § 472 StPO aufzuerlegen, wenn die Verurteilung wegen einer Tat erfolgt, die den Nebenkläger betrifft.
- Im Ergebnis kann die Nebenklage zur Durchführung eines Täter-
Opfer- Ausgleichs gemäß § 46a StGB führen.
Ist Adhäsionsklage zulässig?
- Das Adhäsionsverfahren ist in den §§ 403 bis 406c StPO geregelt. Hiernach kann der Verletzte als Adhäsionskläger den ihm aus einer Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweitig gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren ohne Berücksichtigung der zivilprozessualen Streitwertgrenzen geltend machen.
- Als Ansprüche kommen vor allem Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Betracht. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.
- Gegenüber Jugendlichen ist das Adhäsionsverfahren nicht anwendbar, wenn Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt.
- Es kann auch ein Vergleich geschlossen werden.
- Das Gericht hat mehrere Möglichkeiten über den Adhäsionsantrag zu entscheiden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch von einer Entscheidung abgesehen werden.
- Es besteht zwar kein Anwaltszwang, der Antragsteller kann sich aber des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen und auch einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts stellen. Die Frage der Kostenverteilung ist in § 472a StPO geregelt.
- Auch die Adhäsionsklage kann im Ergebnis zur Durchführung eines Täter-
Opfer- Ausgleichs gemäß § 46a StGB führen.
Was ist Täter-Opfer-Ausgleich?
- In bestimmten Verfahrenssituationen kann es sich für den Täter anbieten, gemäß § 46a StGB einen Täter-
Opfer- Ausgleich durchzuführen. Denn auf diese Art und Weise kann die Strafe über § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden. - § 46a Nr. 1 StGB dient dem Ausgleich der immateriellen Folgen eine Gewaltdeliktes durch Zahlung von Schmerzensgeld. § 46a Nr. 2 StGb bezieht sich auf materiellen Schadensersatz, betrifft also insbesondere Vermögensdelikte. Beide Alternativen können aber auch kumulativ gegeben sein.
- Ein Täter-
Opfer- Ausgleich kann auch das Ergebnis einer Neben- und/ oder Adhäsionsklage durch den Verletzten einer Straftat sein.
Schmerzensgeld
- Der Täter-
Opfer- Ausgleich kann zwar grundsätzlich bis zum Abschluss des Verfahrens durchgeführt werden. Nachdem die Strafmilderung aber im Ermessen des Gerichts steht, sollte der Täter- Opfer- Ausgleich möglichst frühzeitig erfolgen. Denn zögerliches Verhalten kann im Rahmen der Ermessensausübung unter Umständen zulasten des Täters wirken. - Das Motiv für die Zahlung von Schmerzensgeld ist unerheblich, solange sie freiwillig erfolgt.
- Eine ungenügende Wiedergutmachung stellt nur einen allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkt gemäß § 46 StGB dar.
- Beim Täter-
Opfer- Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB wird ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer vorausgesetzt. Es spielt keine Rolle, wer insoweit die Initiative ergriffen hat. Grundsätzlich muss das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftend akzeptieren. - Ausreichend ist aber auch, das ernsthafte Erstreben einer ganz oder überwiegenden Wiedergutmachung.
- Der Täter muss sich gegenüber dem Opfer zwar zu seiner Schuld bekennen, dies setzt aber nicht zwingend ein uneingeschränktes Geständnis voraus.
- Wenn sich der Täter auf eine nur vermeintliche Notwehr beruft, steht dieses Verteidigungsverhalten allerdings einem Täter-
Opfer- Ausgleich entgegen. - Es ist nicht erforderlich, dass dem Opfer ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ersatz der immateriellen Schäden zusteht.
- Zulässig ist auch eine symbolische Wiedergutmachung durch Leistung an Dritte im Einvernehmen mit dem Opfer.
Schadensersatz
- Beim Schadensersatz nach § 46a Nr. 2 StGB gelten höhere Anforderungen.
- Zum einen muss die Schadenswiedergutmachung ganz oder überwiegend erfolgt sein, ernsthafte Bemühungen genügen also nicht.
- Außerdem erfordert sie vom Täter erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht. Dies setzt eine Belastung des Täters voraus. Dadurch soll verhindert werden, dass sich vermögende Täter freikaufen können.
- Bei Mittätern beschränkt sich die Wiedergutmachung nicht auf den gesamtschuldnerischen Anteil im Innenverhältnis.
- Ein bloßes Schuldanerkenntnis stellt keine Schadenswiedergutmachung dar.
Herstellung Bildaufnahmen » § 33 KUG
- In § 33 KUG wird nur die Verbreitung von unbefugten Bildaufnahmen, nicht jedoch deren Herstellung unter Strafe gestellt. § 201 StGB schützt nur das nichtöffentlich gesprochene Wort.
- Durch den Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB soll eine bestehende Strafbarkeitslücke geschlossen werden.
- Die Vorschrift des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch unbefugte Herstellung einer Bildaufnahme von einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet.
- Unter höchstpersönlichem Lebensbereich versteht man in diesem Zusammenhang den Bereich privater Lebensgestaltung, der einer Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des Einzelnen entzogen ist. Hierzu gehört insbesondere das Sexualleben.
- Es kommt nicht darauf an, dass die betroffene Person auf der unbefugt hergestellten Bildaufnahme erkennbar ist.
- Die Vorschrift des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB bietet aber keinen Schutz gegen Bildaufnahmen in der Öffentlichkeit. Insoweit kann aber der Straftatbestand der Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 184k StGB einschlägig sein. Bei Bildaufnahmen unter den Rock spricht man von Upskirting, bei Bildaufnahmen in den Ausschnitt von Downblousing. Der Begriff der Wohnung umfasst sowohl die eigene als auch fremde Wohnungen. Also auch Hotelzimmer, nicht aber Geschäftsräume.
- Eine Umkleidekabine ist ein gegen Einblicke besonders geschützter Raum. Auch ein Garten kann ein geschützer Raum sein, wenn eine Hecke oder Mauer die optische Wahrnehmung verhindern sollen.