Verstoß gegen §§ 95, 96, 97 AMG
- Anders als das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) befasst sich das Arzneimittelgesetz (AMG) überwiegend mit der Regelung des legalen Arzneimittelmarktes. Das Anti-
Doping- Gesetz (AntiDopG) ist mittlerweile aus dem AMG ausgegliedert worden. - Das Arzneimittelgesetz dient gemäß § 1 AMG der Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln. Es wird aber auch geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Umgang mit Arzneimitteln strafbar ist, da sich neben dem legalen auch ein illegaler Arzneimittelmarkt etabliert hat.
- Die Straf- und Bußgeldvorschriften befinden sich als Annex zu den Verwaltungsnormen in den §§ 95, 96, 97 AMG. Es wird mit einer zum Teil kompliziert erscheinenden Verweisungstechnik gearbeitet. Bei allen Absatzdelikten gelten die Grundsätze der Bewertungseinheit.
- Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG definiert. Der Stoffbegriff ist in § 3 AMG definiert. Eine Definition des Begriffs der Zubereitung ist nicht im AMG enthalten. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG betrifft die Präsentationsarzneimittel. Auf die Eignung kommt es nicht an. Daher sind auch Placebos Arzneimittel. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG betrifft die Funktionsarzneimittel. § 2 Abs. 2 AMG betrifft die fiktiven Arzneimittel. Hierzu zählen insbesondere Pflaster, die ein Arzneimittel enthalten oder mit diesem beschichtet sind, oder auch Verbandsstoffe, die mit einem Arzneimittel präpariert sind. In § 2 Abs. 3 AMG sind bestimmte Produktgruppen vom Arzneimittelbegriff ausgegliedert.
- Unter Krankheit im Sinne des § 2 AMG versteht man jede auch nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers oder der seelischen Befindlichkeit jenseits einer natürlichen Schwankungsbreite.
- In § 4 AMG sind sonstige Begriffsbestimmungen enthalten.
- Auf psychoaktive Substanzen kann das AMG in der Regel aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht mehr angewendet werden. Oftmals ist aber das Neue-
psychoaktive- Substanzen- Gesetz (NpSG) anwendbar.
Verbringungsverbot?
- Für zulassungspflichtige Arzneimittel, die in Deutschland nicht verkehrsfähig sind, besteht gemäß § 73 Abs. 1 AMG grundsätzlich ein Verbringungsverbot. Zugelassene Arzneimittel aus einem Drittstaat bedürfen einer Einfuhrerlaubnis gemäß § 72 AMG. In § 73 Abs. 2 bis 5 AMG sind diverse Ausnahme vom Verbringungsverbot geregelt.
- Bei der Einreise nach Deutschland dürfen gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 6 AMG Arzneimittel mitgeführt werden, sofern diese in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge eingebracht werden. Als üblicher persönlicher Bedarf ist nach Auslegung der Obersten Landesgesundheitsbehörden in der Regel ein Bedarf von maximal drei Monaten, unter Berücksichtigung der Dosierungsempfehlungen, anzusehen.
- Außerdem dürfen Privatpersonen gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG Arzneimittel aus den Mitgliedsländern der EU oder anderen Vertragsstaaten des EWR für den üblichen eigenen Bedarf beziehen, sofern diese Arzneimittel im Herkunftsland verkehrsfähig sind. Der Bezug darf aber nicht durch gewerbs- oder berufsmäßige Vermittlung erfolgen.
- Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen § 73 Abs. 1 AMG wird gemäß § 97 Abs. 2 Nr. 8 AMG als Ordnungswidrigkeit verfolgt.
Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel?
- Nach § 5 Abs. 1 AMG ist das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel oder die Anwendung bei einem anderen Menschen verboten. Unter das Verbot können auch zugelassene Arzneimittel fallen.
- Der Begriff der Anwendung umfasst auch das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch. Ein Verabreichen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Arzneimittel aus dem Besitz der Person stammt, bei der es angewendet wird.
- Der Begriff der Bedenklichkeit wird in § 5 Abs. 2 AMG definiert. Wirkungen sind alle physischen oder psychischen Reaktionen des Organismus, die unmittelbar oder mittelbar durch ein Arzneimittel ausgelöst werden. Darunter fallen auch Neben- und Wechselwirkungen. Eine Wirkung ist schädlich, wenn sie den Gesundheitszustand des Konsumenten nachteilig beeinflusst. Ein Gebrauch ist auch dann bestimmungsgemäß, wenn er sich aus Sicht der einschlägigen Verkehrskreise als solcher darstellt. Bestimmungsgemäßer Gebrauch kann also auch ein Missbrauchs sein. Die Bedenklichkeitsprüfung ist eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko.
- Poppers bestehen aus Isoamylnitrit, Isobutylnitrit oder Amylnitrat. Diese Akylnitrite wirken im menschlichen Organismus gefäßerweiternd und somit blutdrucksenkend. Amylnitrat und Isobotylnitrit werden in Deutschland wegen ihrer schädlichen Nebenwirkungen als bedenkliche Arzneimittel eingestuft.
- Das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel ist gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG strafbar. Der Besitz und der Erwerb zum Eigenverbrauch sind straflos. Isoamylnitrit ist dagegen verkehrsfähig, unterliegt allerdings der Verschreibungspflicht durch einen Arzt. Strafbar sind daher gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG das Handeltreiben und die Abgabe. Der Besitz und der Erwerb zum Zwecke des Eigenkonsums sind ebenfalls straflos.
Inverkehrbringen Fertigarzneimittel?
- Ein Fertigarzneimittel erlangt erst mit seiner Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 AMG Verkehrsfähigkeit.
- Das Arzneimittel kann dann frei verkäuflich gemäß § 44 AMG, apothekenpflichtig gemäß § 43 AMG oder verschreibungspflichtig gemäß § 48 AMG sein.
- Die Eingruppierung richtet sich nach dem Gefährdungs- und Risikopotential. Durch die Apotheken- und Verschreibungspflicht soll den Gefahren im Umgang mit Arzneimitteln vorgebeugt werden, da in der Apotheke oder beim Arzt eine Aufklärung über die schädlichen Nebenwirkungen erfolgen kann.
- Ausnahmen von der Zulassungspflicht sind in § 21 Abs. 2 AMG geregelt. Gemäß § 21 Abs. 4 AMG entscheidet bei Zweifeln über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels die zuständige Bundesoberbehörde über den Status des betroffenen Arzneimittels.
- Das vorsätzliche Inverkehrbringen von Fertigarzneimitteln unter Verstoß gegen § 21 AMG stellt eine Straftat nach § 96 Nr. 5 AMG dar. Bei fahrlässigem Handeln liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 97 Abs. 1 AMG vor.
Handel verschreibungspflichtige Arzneimittel?
- Verstöße gegen § 43 AMG werden als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verfolgt.
- Das vorsätzliche oder fahrlässige Inverkehrbringen von apotheken- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 S. 1 AMG ist eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG. Bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln gilt dies selbst dann, wenn unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 S. 2 AMG Handel getrieben wird.
- Das vorsätzliche oder fahrlässige Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 S. 2 AMG ist gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 AMG eine Straftat.
Apothekenpflicht
- Das berufs- oder gewerbsmäßige Inverkehrbringen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln für den Endverbraucher ist gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 AMG den Apotheken vorbehalten.
- Wenn ein Arzt seinem Patienten ein Arzneimittel verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt, stellt dies kein Inverkehrbringen dar.
- Anders verhält es sich, wenn der Arzt das Arzneimittel an den Patienten abgibt und dieser somit tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt.
- Allerdings ist dann zu prüfen, ob diese Abgabe berufs- oder gewerbsmäßig erfolgt ist. Das ist nicht der Fall bei einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Abgabe im Einzelfall. Eine wiederholten Abgabe zum Selbstkostenpreis kann bereits problematisch sein. Denn ein Inverkehrbringen muss gemäß § 17 Abs. 1 ApBetrO grundsätzlich in der Apotheke erfolgen.
Versandhandel Inland
- Apotheken- oder verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nach Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis gemäß § 11a ApoG durch inländische Apotheken auch im Wege des Versandhandels im Inland in den Verkehr gebracht werden.
- Die Auslieferung durch den Beförderungsdienstleister kann auch an eine Abholstation erfolgen.
- Ausgeschlossen vom Versandhandel sind allerdings Arzneimittel, die bestimmte Wirkstoffe gemäß § 17 Abs. 2b ApBetrO enthalten.
Versandhandel EU- Ausland
- Der Versandhandel aus dem EU-
Ausland an inländische Endverbraucher ist gemäß § 73 Abs. S. 1 Nr. 1a AMG nur von einer dazu berechtigten Apotheke zulässig. - Die Arzneimittel müssen entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel verschickt werden. Die Apotheke muss hierbei zum Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt sein.
- Hierzu veröffentlicht das Bundesministerium für Gesundheit in regelmäßigen Abständen eine Übersicht über die EU-
Mitgliedstaaten und anderen EWR- Vertragsstaaten, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen. - Apotheken aus anderen EU- bzw. EWR-
Staaten, in denen diese Vergleichbarkeit derzeit nicht besteht, können eine Versandhandelserlaubnis nach dem deutschen Apothekengesetz beantragen. Diese sind gegebenenfalls im Versandapothekenregister des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information abrufbar.
Handeltreiben
- Die Definition des Handeltreibens im Arzneimittelrecht kann dem Betäubungsmittelrecht entnommen werden. Daher ist nicht erforderlich, dass das Handeln berufs- oder gewerbsmäßig oder wiederholt erfolgt. Voraussetzung ist aber entgegen der Gesetzesbegründung, dass eigennützig gehandelt wird. Eigennützigkeit setzt die Absicht voraus, Gewinn zu erzielen.
- Es hängt von der bestellten Menge ab, ob sich nicht nur der Verkäufer gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG, sondern auch der Erwerber wegen Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln strafbar macht.
- Andernfalls liegt bei Bestellungen im EU-
Ausland nur eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 97 Abs. 2 Nr. 8 AMG wegen Verstoßes gegen das Verbringungsverbot gemäß § 73 AMG vor. - Der tateinheitlich mitverwirklichte Straftatbestand des Bannbruches gemäß § 372 Abs. 1 AO tritt im Wege der Subsidiarität zurück. Der Grundsatz nach § 21 OWiG, wonach die Straftat die Ordnungswidrigkeit verdrängt, wird durch § 372 Abs. 2 AO umgekehrt.
- Sildenafil ist ein Generikum des Arzneimittels Viagra und enthält den gleichen Wirkstoff. Sildenafil dient zur Behandlung von dauerhafter Impotenz und Erektionsstörungen bei Männern. Das Arzneimittel ist in den Dosierungen 50 mg, 75 mg und 100 mg erhältlich.
- Das Potenzmittel Sildenafil unterliegt in Deutschland der Verschreibungspflicht. Der Vertrieb erfolgt aber nicht nur durch die gängigen legalen Hersteller unter Beachtung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften. Das Arzneimittel wird auch kostengünstig in Asien produziert und anschließend illegal über das Internet in Deutschland angeboten.
Abgabe verschreibungspflichtige Arzneimittel?
- Gemäß § 48 Abs. S. 1 AMG dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung an den Verbraucher abgegeben werden. Bei Betäubungsmitteln sind auch die Bestimmungen der BtMVV zu beachten. Grundlage für die Verschreibungspflicht ist die Anlage 1 zur AMVV.
- Eine Verschreibung per Telefax oder Email ist nicht ausreichend. Die Verschreibung muss dem Apotheker grundsätzlich zum Zeitpunkt der Abgabe körperlich oder in elektronischer Form vorliegen.
- Ausnahmsweise kann der Arzt den Apotheker aber in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten, sofern die Anwendung eines Arzneimittels gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AMVV keinen Aufschub erlaubt. Insoweit reichen schwere Schmerzzustände aus. Die Frage der Unaufschiebbarkeit wird allein durch den verschreibenden Arzt bewertet, nicht durch den Apotheker.
- Die Verschreibung ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 AMVV unverzüglich nachzureichen. Ein Unterbleiben führt aber gleichwohl nicht zu einer Strafbarkeit nach § 96 Nr. 13 AMG.
- Unter den Voraussetzungen des § 129 SBG V darf der Apotheker ein preisgünstigeres Arzneimittel oder Arzneimittel in wirtschaftlicheren Einzelmengen abgeben.
- Gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 AMG darf eine Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht erfolgen, wenn vor der Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat. Das gilt gemäß § 48 Abs. 1 S. 3 AMG nur dann nicht, wenn der Patient dem Arzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder die Fortsetzung der Behandlung handelt.
- Ein Coffein-
Paracetamol- Gemisch ist auch dann ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, wenn es als Streckmittel für Betäubungsmittel verkauft wird. Arzneimittel, die Paracetamol enthalten, sind aber von der Verschreibungspflicht ausgenommen, wenn sie der symptomatischen Behandlung mäßig bis starker Schmerzen und/ oder Fieber beim Menschen dienen und eine Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 10g je Packung nicht übersteigen. - Die vorsätzliche Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels unter Verstoß gegen § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG ist eine Straftat gemäß § 96 Nr. 13 AMG. Bei fahrlässigem Handeln ist nur eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 97 Abs. 1 AMG verwirklicht.