Auslandstat
- Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts wird bestimmt durch die §§ 3, 4, 5, 6, 7, 9 StGB. Geregelt wird, wann eine im Ausland begangene Tat oder die Tat eines Ausländers dem deutschen Strafrecht unterfallen.
- Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ist eine Prozessvoraussetzung. Das Fehlen führt zur einem Verfolgungshindernis. Bei Straftaten mit Auslandsbezug kann es zur Konkurrenz mehrerer anwendbarer Rechtsordnungen kommen.
- Das Territorialitätsprinzip in § 3 StGB, wonach deutsches Strafrecht für Taten gilt, die im Inland begangen worden sind, wird durch das Flaggenprinzip in § 4 ergänzt.
- Gemäß § 9 Abs. 1 StGB kann Tatort für einen Täter sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort einer Straftat sein. Maßgeblich ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 StPO. Wenn auch nur Teile von ihr einen inländischen Tatort begründen, ist sie insgesamt als Inlandstat anzusehen.
- Die Tat muss nicht zur Vollendung gelangen. Auch Handlungen nach Vollendung können bis zur Beendigung der Tat einen Tatort begründen.
- Bei Mittäterschaft genügt es, wenn nur ein Tatbeitrag eines Mittäters im Inland erbracht wird.
- Nach § 9 Abs. 2 StGB bestimmt sich der Tatort für Teilnehmer sowohl nach dem Tatort der Haupttat als auch nach dem Tatort der Teilnahmehandlung. Hat der Täter einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.
- Für Auslandstaten gilt gemäß § 5 StGB das Schutzprinzip sowie gemäß § 6 StGB der Weltrechtsgrundsatz.
- Gemäß § 7 StGB ist Voraussetzung, dass die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder keiner Strafgewalt unterliegt und sich entweder gegen einen Deutschen richtet oder der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war bzw. nach der Tat geworden ist oder dass der Täter zur Zeit der Tat Ausländer war, aber im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wird.
- Voraussetzung für die Strafbarkeit einer Auslandstat ist weiterhin, dass der Tatbestand des deutschen Strafrechts keinen tatbestandsimmanenten Inlandsbeschränkungen unterliegt.
Vertrieb von Betäubungsmitteln?
- Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß den §§ 29 bis 30a BtMG ist der Handlungsort überall dort gegeben, wo der Täter einen Teilakt verwirklicht hat. Nachdem es sich insoweit um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handelt, gibt es keinen Erfolgsort.
Auch die Verwirklichung eines Regelbeispiels gemäß § 29 Abs. 3 BtMG kann keinen Erfolgsort begründen. Anders würde es sich nur bei Erfolgsqualifikationen verhalten, die aber zumindest im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) nicht enthalten sind.
- Beim Handeltreiben mit Betäubungsmittel über das Internet ist der Handlungsort auch dann im Inland, wenn der Server zwar im Ausland steht, der Täter die strafbaren Inhalte aber von Deutschland aus ins Netz stellt.
- Gemäß § 6 Nr. 5 StGB gilt das deutsche Strafrecht auch für Auslandstaten, sofern ein unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln vorliegt. Es ist strittig, ob darüber hinaus ein legitimierender Anknüpfungspunkt erforderlich ist. In der Regel wird beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aber ohnehin zumindest hinsichtlich eines Teilaktes ein inländischer Tatort gegeben sein. Das Weltrechtsprinzip gilt auch für die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
Verfolgungshindernis
- Insbesondere bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit Auslandsbezug kann es daher zur Konkurrenz mehrerer anwendbarer Rechtsordnungen kommen. Grundsätzlich gilt kein Verbot der Doppelbestrafung.
- Nach Art. 54 SDÜ besteht aber ein Verfolgungshindernis, wenn der Betroffene durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat rechtskräftig abgeurteilt worden ist und im Falle einer Verurteilung die Sanktion vollstreckt ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.
- Deutschland ist gemäß Art. 55 SDÜ in Verbindung mit einer entsprechenden Erklärung bei der Ratifikation an Art. 54 SDÜ nicht gebunden, wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde liegt, ganz oder teilweise im Inland begangen worden ist.
- Die Verurteilung und Vollstreckung einer Strafe in Drittstaaten steht einer Verurteilung derselben Tat im Inland nicht entgegen. Allerdings ist die ausländische Strafe nach § 51 Abs. 3 StGB anzurechnen und strafmildernd zu berücksichtigen.
Vertragsparteien?
- Vertragsparteien des Schengener Durchführungsübereinkommens sind derzeit zwischen Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn.
- Für Auslegungsfragen ist der EuGH zuständig.
Rechtskräftige Aburteilung?
- Unter Aburteilungen fallen nicht nur gerichtliche Entscheidungen, sondern auch Entscheidungen nichtgerichtlicher Stellen. Gerichtliche Entscheidungen sind auch Abwesenheitsurteile. Es reicht aus, wenn die Behörde in der nationalen Rechtsordnung lediglich zur Mitwirkung bei der Strafrechtspflege berufen ist.
- Sofern kein gerichtlicher Freispruch erfolgt ist, muss das Verfahren mit einer Sanktion erledigt worden ist. Die Strafaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ändert nichts am Vollstreckungscharakter.
- Rechtskraft tritt jedenfalls mit endgültigem Strafklageverbrauch ein.
Identität der Tat?
- Bei der Frage nach der Identität der Tat ist die materielle Tat maßgeblich. Der Tatbegriff wird bestimmt durch einen Komplex von Tatsachen, die zeitlich, räumlich und durch ihren Zweck unlösbar miteinander verbunden.
- Grundsätzlich stellt eine einheitliche Drogenschmuggelfahrt durch mehrere EU-
Mitgliedsstaten daher eine Tat dar, es sei denn, es liegt ein Unterbrechung mit Zäsurwirkung vor.
Strafklageverbrauch
- Bei Inlandstaten tritt Strafklageverbrauch ein, wenn bei einem rechtkräftig verurteilten Erwerber zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Teil der Betäubungsmittel aufgefunden wird. Das gilt nicht wenn der Vorratsrest später verkauft wird, da die frühere Verurteilung Zäsurwirkung hat.
- Bei einer Trunkenheit im Verkehr und gleichzeitigem Besitz von Betäubungsmitteln tritt Strafklageverbrauch ein, wenn nur eines der Delikte abgeburteilt oder nach § 153a StPO eingestellt worden ist.