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Anbau von Betäubungsmitteln
- Unter Anbau von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG versteht man das Aussäen von Samen und die Aufzucht von Pflanzen. Es handelt sich nicht um ein Erfolgsdelikt, sondern einen Unternehmensdelikt, d. h. es ist unerheblich, ob sich der erwartete Wirkstoff entwickelt. Der Anbau kann in freier Natur oder auch indoor erfolgen.
- Gesonderte Anbauvorgänge stehen auch dann zueinander in Tatmehrheit, wenn der Anbau auf der gleichen Produktionsfläche erfolgt.
- Das Herstellen von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG stellt eine im Verhältnis zum Anbau verschiedene Handlung dar.
- Der Besitz gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG tritt hinter dem Anbau zurück, es sei denn, der Besitz bezieht sich auf eine nicht geringe Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
- Zielt der Anbau auf eine spätere gewinnbringende Veräußerung ab, ist er unselbständiger Teilakt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Wenn der Täter allerdings einen Teil der Ernte zum Eigenkonsum angebaut hat, liegt Tateinheit vor.
- Wer Betäubungsmittel anbaut oder herstellt, erwirbt zwar durch Realakt Eigentum an den Betäubungsmitteln, kann das Eigentum aber wegen § 134 BGB nicht übertragen, da beim Drogengeschäft im Inland nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das Verfügungsgeschäft unwirksam ist.
- Im Ausland kann an Betäubungsmitteln allerdings Eigentum erworben werden, die dann auch taugliches Objekt für einen Diebstahl gemäß § 242 BGB oder einen Raub gemäß § 250 BGB sein können.
- Ein Betrug gemäß § 263 BGB ist beim Drogengeschäft hingegen trotz der Verbotsvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) immer möglich.
Ist Eigentümer als Gehilfe strafbar?
- Es ist nicht erforderlich, dass der Täter Eigentümer oder Nutzungsberechtigter des Grundstücks oder der Wohnung ist.
- Erforderlich ist bei der Beihilfe immer, dass die Tatbegehung durch die Billigung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert worden ist und dies dem Gehilfen auch bewusst war.
- Der Inhaber eines Grundstücks unterliegt nicht der Garantenpflicht, den Anbau von Betäubungsmitteln auf seinem Grundstück zu verhindern, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu, die eine Rechtspflicht zum Handeln begründen. Beihilfe durch Unterlassen wird daher in der Regel bei einem bloßen Dulden nicht vorliegen.
- Auch wenn der Eigentümer oder Nutzungsungsberechtigte am Taterfolg interessiert ist, weil er Geldbeträge zur gemeinsamen Lebensführung erhält oder mitkonsumiert, reicht allein die dadurch zum Ausdruck kommende Billigung der Tat nicht aus, um eine Unterstützung in Form psychischer Beihilfe zu begründen.
Erwerb von Betäubungsmitteln
- Erwerb gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG ist die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer.
- Der Erwerb kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Auf die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts kommt es nicht an. Der Besitz gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG wird vom Erwerb verdrängt.
- Legen mehrere Konsumenten Geld zusammen, um durch den Erwerb einer größeren Menge Betäubungsmittel einen Rabatt zu erzielen, kann wegen der reduzierten Transportkosten Mittäterschaft bezogen auf die Gesamtmenge vorliegen.
Wann liegt versuchter Erwerb vor?
- Bei den Betäubungsmitteldelikten gemäß den §§ 29 ff. BtMG ist für eine Versuchsstrafbarkeit gemäß den §§ 22, 23 StGB nur wenig Raum, da der Begriff des Handeltreibens von der Rechtsprechung sehr extensiv ausgelegt wird. Ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 StGB ist daher in der Regel auch nicht möglich.
- Bei den sonstigen unechten Unternehmensdelikten ist vor allem der untaugliche Versuch relevant. Bei den Erfolgsdelikten kommt der Versuch insbesondere beim Erwerb und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht.
- Beim Handeln in Mittäterschaft reicht es aus, wenn ein Beteiligter zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt.
- Der strafbare Versuch muss immer von der straflosen Vorbereitungshandlung abgegrenzt werden. Der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ist eine straflose Vorbereitungshandlung. Das gilt nur dann nicht, wenn es der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt zeitlich unmittelbar vorgelagert ist.
- Beim Postversand beginnt der Versuch, wenn der Verkäufer die Sendung mit den Betäubungsmitteln bei der Post zur Weiterleitung an den Käufer aufgegeben hat.
- Beim Versuch steht die Möglichkeit zur Strafmilderung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
- Bei den Verbrechenstatbeständen im Betäubungsmittelstrafrecht ist der Versuch der Beteiligung gemäß § 30 StGB häufiger anzutreffen als im allgemeinen Strafrecht. Eine Strafmilderung ist hier zwingend.
Was gilt beim Handeltreiben?
- Hat der Täter Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben und verwendet er später einen Teil zum Eigenkonsum, so wird dennoch die Gesamtmenge vom Tatbestand des Handeltreibens erfasst.
- Anders verhält es sich, wenn bereits vor dem Erwerb ein Teil zum Handeltreiben und ein Teil zum Eigenverbrauch bestimmt waren. Dann kommt es auf die Einzelmengen an. Notfalls muss das Verhältnis von Handelsmenge und Eigenverbrauchsmenge unter Berücksichtigung des in dubio pro reo Grundsatzes geschätzt werden. Hinsichtlich der Eigenverbrauchsmenge liegt dann Erwerb gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG vor.
- Wird mit der Gesamtmenge die nicht geringe Menge nicht überschritten, so liegt Handeltreiben in Tateinheit mit Erwerb vor. Wenn die Eigenverbrauchsmenge den Grenzwert der nicht geringen Menge übersteigt und die Handelsmenge darunter liegt, so liegt Handeltreiben in Tateinheit mit Erwerb vor. In beiden Fällen ist kein Verbrechenstatbestand gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG eröffnet.
- Überschreitet sowohl die Handelsmenge als auch die Eigenverbrauchsmenge den Grenzwert, ist von Handeltreiben in Tateinheit mit Besitz jeweils in nicht geringer Menge auszugehen.
- Liegt die Eigenverbrauchsmenge unter der nicht geringen Menge, während die Handelsmenge den Grenzwert überschreitet, liegt ein Handeltreiben in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb vor.
- Erreichen Handels- und Eigenverbrauchsmenge nur in der Summe den Grenzwert, ist von Besitz in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit mit Handeltreiben auszugehen.
Ist Eigenkonsum strafbar?
- Der Eigenkonsum von Betäubungsmitteln an sich ist straflos. Daher ist auch die Abgabe von sterilen Einmalspritzen gemäß § 29 Abs. 1 S. 2 BtMG eine straflose Beihilfe zum Konsum und kein Verschaffen einer Gelegenheit zum Verbrauch.
- Auch die Entgegennahme von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch ohne Verfügungsgewalt erfüllt keinen Straftatbestand. Hierdurch wird dem Grundsatz der Straflosigkeit von Selbstschädigungen und Selbstgefährdungen Rechnung getragen.
- Auf der anderen Seite ist der Besitz von Betäubungsmitteln zum Zwecke des späteren Eigenkonsums strafbar.
- Bei Betäubungsmittelkonsumenten ist für den Fall der Verhängung einer Vollzugsstrafe immer an die Möglichkeit einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu denken. Erforderlich ist dann aber unter anderem ein Kausalzusammenhang zwischen Betäubungmittelabhängigkeit und Straftat. Über die Frage der Zurückstellungsfähigkeit entscheidet die Strafvollstreckungsbehörde.
Wann wird nicht bestraft?
- Grundsätzlich ist auch der Umgang mit kleinen Betäubungsmittelmengen strafbar. Gemäß §§ 29 Abs. 5, 31a BtMG kommt ein Absehen von der Bestrafung in Betracht, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
- Die geringe Menge umfasst höchstens drei Konsumeinheiten. Unter Konsumeinheit ist die Menge eines Betäubungsmittels zu verstehen, die zur Erzielung eines Rauschzustandes erforderlich ist. Insoweit sind von Bedeutung Wirkstoffgehalt, Konsumform und Gewöhnung des Konsumenten. Nachdem die Vorschrift auf den Gelegenheitskonsumenten abzielt und nicht auf den Abhängigen, ist auf die Einstiegsdosis abzustellen.
- Da bei kleineren Betäubungsmittelmengen der Wirkstoffgehalt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit häufig nicht durch chemische Analyse festgestellt wird, wird in diesen Fällen auf die Gewichtsmenge abgestellt, wobei es insoweit große regionale Unterschiede gibt.
- Von einer Bestrafung kann auch bei harten Drogen abgesehen werden. Die Grenzwerte für die geringe Menge betragen bei Speed 0,15 g Amphetamin-
Base, bei Kokain 0,3 g Kokainhydrochlorid und bei Heroin 0,03 g Heroinhydrochlorid. - Die Entscheidung über das Absehen von Bestrafung liegt im behördlichen Ermessen. Bei der Ausübung des Ermessens werden das Maß der Schuld und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung berücksichtigt.
Besitz von Betäubungsmitteln
- Die Vorschrift des Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG ist ebenfalls ein Auffangtatbestand. Unter Besitz versteht man die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines bewussten tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses. Es gilt allerdings nicht der bürgerlich rechtliche Besitzbegriff.
- Besitz ist ein Dauerdelikt. Die Eigentumslage ist unerheblich. Erfasst werden Eigenbesitz, Fremdbesitz, unmittelbarer Besitz, mittelbarer Besitz, Mitbesitz und Besitzdienerschaft.
- Weitere Voraussetzung ist der Besitzwille, der darauf gerichtet sein muss, sich selbst die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten. Daran fehlt es, wenn die Besitzerlangung über die Betäubungsmittel lediglich zum Zwecke der sofortigen Vernichtung oder Übergabe an die Polizei erfolgt.
- Der Besitz von Rauschgiftutensilien und Betäubungsmittelrückständen ist straflos. Betäubungsmittelanhaftungen begründen einen strafbaren Besitz nur dann, wenn sie eine noch wiegbare Betäubungsmittelmenge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt aufweisen und somit zum Konsum geeignet sind.
- Wer Betäubungsmittel zum sofortigen Verbrauch erhält, erlangt keinen Besitz. Die Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch ist aber gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BtMG strafbar.
- Der Körperschmuggler bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln ist unmittelbarer Besitzer.
- Wenn Betäubungsmittel in einer gemeinschaftlich genutzten Wohnung aufbewahrt werden, gelten für die Strafbarkeit des Mitbewohners die gleichen Grundsätze wie beim Anbau von Betäubungsmitteln.
- Zwischen Beihilfe zum Handeltreiben gemäß §§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, 27 StGB und Besitz besteht Tateinheit.
- Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ein Verbrechen, das den Erwerb oder den Anbau verdrängt.
- Bei gemeinsamen Beschaffungsfahrten ist Mitbesitz an der Gesamtmenge gegeben.
- Auch wenn zum Zwecke des Eigenkonsums unterschiedliche Betäubungsmittel gleichzeitig an verschiedenen Orten aufbewahrt werden, liegt nur ein Verstoß gegen das BtMG vor.
- Zwischen Besitz und Handeltreiben besteht Tateinheit, wenn ein Teil der Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch bestimmt ist.
- Im Hinblick auf andere Begehungsweisen hat der Besitz einen geminderten Unrechtsgehalt.
Was gilt bei Vorratshaltung?
Nach der Rechtsprechung des BGH (4 StR 195/
- erfüllt der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal.
- Das Gleiche gilt, wenn der Täter den Besitz bei mehreren Lieferungen zwar nicht insgesamt gleichzeitig, aber suksessive mit mindestens einer vorangegangenen Lieferung gleichzeitig in Form einer einheitlichen Vorratshaltung ausübt und sich so diese Besitzausübungen bis zur letzten Lieferung überschneiden.
- Leistet der Bunkerhalter bezüglich der Betäubungsmittel zugleich Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, behält der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständigen Beihilfetaten zur Tateinheit.