Anhörungsbogen
- Im Zusammenhang mit der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit erhält der verantwortliche Fahrzeugführer von der Bußgeldbehörde gemäß § 55 OWiG zunächst einen Anhörungsbogen.
- Das gilt natürlich nicht, wenn der Fahrer anlässlich des Verkehrsverstoßes von der Polizei angehalten worden ist. Denn dann stellen die Beamten vor Ort die Personalien des Fahrers fest und geben diesem nach ordnungsgemäßer Belehrung über seine Rechte Gelegenheit, sich zum Tatvorwurf zu äußern.
- Im Anhörungsbogen müssen die Personalien des Fahrers angegeben werden. Insoweit handelt es sich um Pflichtangaben.
- Zur Sache müssen dagegen keine Angaben gemacht werden. Insbesondere sollte der Verkehrsverstoß nicht eingeräumt werden. Denn insoweit besteht ein Schweigerecht.
- Es empfiehlt sich, zunächst über einen Rechtsanwalt Akteneinsicht zu nehmen. Denn nur durch Einsicht in die Ermittlungsakte kann die Beweissituation einer Überprüfung unterzogen werden. Erst danach kann eine Entscheidung dahingehend getroffen werden, ob Angaben zur Sache zielführend erscheinen.
Verkehrsordnungswidrigkeit?
- Verkehrsordnungswidrigkeiten sind von den Verkehrsstraftaten zu unterscheiden. Beispiele für Verkehrsordnungswidrigkeiten sind Verstöße gegen Rotlicht, Abstand, Geschwindigkeit und 0,5‑Promille-Grenze. Beispiele für Verkehrsstraftaten sind Straßenverkehrsgefährdung, Unfallflucht, Kraftfahrzeugrennen und Trunkenheit im Verkehr.
- Das Verfahren bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) geregelt. Bei Verkehrsstraftaten gilt die Strafprozessordnung (StPO).
- Die wichtigsten Bußgeldtatbestände befinden sich in den §§ 49 StVO, 24a StVG. Die verkehrsrechtlichen Straftatbestände sind überwiegend im Strafgesetzbuch (StGB) enthalten.
- Ergeben sich im Rahmen der Ermittlungen durch die Verwaltungsbehörde Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Verkehrsstraftat, ist die Sache an die Staatsanwaltschaft abzugeben.
- Umgekehrt gibt die Staatsanwaltschaft die Sache an die Verwaltungsbehörde ab, wenn die Ermittlungen in Richtung auf die Straftat eingestellt werden und der Verdacht für eine Verkehrsordnungswidrigkeit bestehen bleibt. Voraussetzung ist allerdings, dass hinsichtlich der Verkehrsordnungswidrigkeit noch keine Verjährung eingetreten ist. Im Hinblick auf die teilweise sehr kurzen Verjährungsfristen ist dies jedoch nicht selten der Fall.
Kennzeichenanzeige?
- Wenn der Bußgeldbehörde nur das Fahrzeug mit dem dazugehörigen amtlichen polizeilichen Kennzeichen bekannt ist, nicht aber der verantwortliche Fahrer, wird zunächst der Fahrzeughalter ermittelt. Der Fahrzeughalter erhält dann einen Anhörungsbogen.
- Der Halter übt die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug aus und hat es auf eigene Rechnung in Gebrauch. Es ist unerheblich, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist oder wer der Eigentümer ist. Die Personen, die in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2 eingetragen sind, müssen also nicht zwangsläufig identisch mit dem Fahrzeughalter sein.
- Wenn der Fahrzeughalter den Verkehrsverstoß begangen hat und von der Bußgeldbehörde als Betroffener geführt wird, hat er ein Aussaverweigerungsrecht gemäß § 136 StPO. Als Zeuge hat er ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO.
- Wenn der Fahrzeughalter den Verkehrsverstoß nicht begangen hat und von der Bußgeldbehörde gleichwohl als Betroffener geführt wird, hat er ebenfalls ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 136 StPO. Als Zeuge kann er allenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO haben.
- Die Bußgeldbehörde wird den Fahrzeughalter bei reinen Kennzeichenanzeigen daher zunächst immer als Zeugen führen. Denn andernfalls sind Informationen zur Fahreridentifikation eher nicht zu erwarten.
- In der Praxis kann der Polizei allerdings daran gelegen sein, auch einen Fahrzeughalter, der als Fahrer verdächtigt wird, möglichst spät als Betroffenen zu belehren. Im Rahmen sogenannter informatorischer Befragungen wird dann versucht, zunächst die Fahrereigenschaft zu ermitteln. Diese Vorgehensweise ist nicht zulässig und führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Oftmals ist es jedoch nicht unproblematisch, die unterlassene Belehrung im Freibeweisverfahren festzustellen. Denn Beweismittel ist insoweit der Polizeibeamte oder ein von ihm gefertigter Aktenvermerk.
- Aus der Haltereigenschaft alleine darf nicht ohne weiteres auf die Fahrereigenschaft geschlossen werden. Anders verhält sich dies nur, wenn durch Umfeldermittlungen der Polizei weitere Indizien für eine Fahrereigenschaft festgestellt werden können.
- Nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz (3 OWi 6 SsBs 258/
20) ist die Beiziehung des beim zuständigen Einwohnermeldeamt hinterlegten Personalausweisfotos des Betroffenen zur Fahreridentifizierung in Verkehrsordnungwidrigkeitenverfahren durch die Bußgeldbehörde zulässig und stellt keinen Verstoß gegen das Personalausweisgesetz (PAuswG) dar. - Macht der Fahrzeughalter von seinem Schweigerecht Gebrauch und kann der Fahrer nicht ermittelt werden, droht gemäß § 31a StVZO die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen.
Bußgeldbescheid
- Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten findet das Opportunitätsprinzip Anwendung. Die Verfolgung von Verkehrsverstößen liegt gemäß § 47 OWiG im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde.
- Bei geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten kann gemäß § 56 Abs. 1 OWiG auch nur lediglich eine Verwarnung ausgesprochen werden.
- Im Bußgeldbescheid wird immer eine Geldbuße verhängt. Daneben kann auch ein Fahrverbot für die Dauer von ein bis drei Monaten angeordnet werden. Außerdem kann die Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit dazu führen, dass Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg eingetragen werden.
Verwarnung?
- Wenn eine Verwarnung ausgesprochen wird, ist es möglich, auch ein Verwarnungsgeld in Höhe von fünf bis fünfundfünzig Euro zu erheben. Eine Verwarnung kann jedoch auch ohne Verwarnungsgeld erteilt werden.
- Kosten (Gebühren und Auslagen) werden bei der Verwarnung gemäß § 56 Abs. 3 OWiG nicht erhoben.
- Die Verwarnung ist gemäß § 56 Abs. 2 OWiG nur wirksam, wenn der Betroffene nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit ihr einverstanden ist und das Verwarnungsgeld entweder sofort oder innerhalb einer zu bewilligenden Frist bezahlt.
- Nach wirksamer Verwarnung kann die Tat gemäß § 56 Abs. 4 OWiG nicht mehr als Verkehrsordnungswidrigkeit verfolgt werden.
Einspruch gegen Bußgeldbescheid?
- Wenn eine Verkehrsordnungswidrigkeit sich nicht durch Verwarnung erledigt, ergeht gegen den verantwortlichen Fahrer durch die zuständige Behörde gemäß den §§ 65, 66 OWiG ein Bußgeldbescheid.
- Voraussetzung ist allerdings, dass zwischenzeitlich keine Verjährung eingetreten ist.
- Gegen einen Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch eingelegt werden. Es kommt dann zur Hauptverhandlung vor dem zuständigen Amtsgericht.
Bußgeldkatalog?
- Um eine möglichst gleichmäßige Ahndung zu erreichen, ist für Verkehrsordnungswidrigkeiten ein bundeseinheitlicher Bußgeldkatalog (BKat) geschaffen worden.
- Im Bußgeldkatalog sind Verwarnungen, Bußgelder und Fahrverbote geregelt.
- Der Bußgeldkatalog orientiert sich hinsichtlich der Geldbuße nicht an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen und stellt daher nur eine Orientierungshilfe für die Gerichte dar, die jeweils den konkreten Einzelfall zu bewerten haben.
- Jedenfalls bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden.
- Ein Abweichen vom Regelsatz ist durch das Gericht zu begründen. In diesen Fällen bleibt hinsichtlich einer Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister jedoch der im Bußgeldkatalog vorgesehen Regelsatz maßgebend.
- Das Bußgeld hat keine Sühnefunktion, sondern versteht sich als spürbarer Pflichtappell.
- Bei Uneinbringlichkeit des Bußgeldes kann Erzwingungshaft angeordnet werden.