Einziehung gemäß §§ 73–76b StGB
- Das Rechtsinstitut der Einziehung gemäß den §§ 73 ff. StGB ist eine im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) häufig anzutreffende Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) oder Nebenfolge (§ 459g StPO). Zu unterscheiden ist zwischen der Einziehung von Taterträgen und der Einziehung von Tatmitteln, Tatprodukten und Tatobjekten. Die Einziehung kann gegen Täter, Teilnehmer und Dritte angeordnet werden.
- Die Entschädigung von Verletzten spielt im Betäubungsmittelstrafrecht keine Rolle. Grundsätzlich ist die Opferentschädigung in das Strafvollstreckungsverfahren verlagert.
- Reicht das gesicherte Vermögen oder der Erlös aus der Verwertung der gesicherten Vermögensgegenstände nicht aus, um alle Ansprüche der Verletzten vollständig zu begleichen, ist ein Mangelfall gegeben. Die Opferentschädigung erfolgt dann gemäß § 111i StPO im Insolvenzverfahren.
- Die Wirkung der Einziehung ist in § 75 StGB geregelt.
- Nachdem beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Verfügungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig sind, geht das Eigentum an Drogengeldern gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf den Staat über.
- Ein der Einziehung unterliegender Gegenstand kann gemäß § 111b StPO zur Sicherung beschlagnahmt werden. Die Vollziehung erfolgt nach § 111c StPO und wirkt gemäß § 111d als Veräußerungsverbot.
- Nach § 421 StPO kann unter bestimmten Voraussetzungen von der Einziehung von Taterträgen und des Wertes abgesehen werden.
- Nach den §§ 422, 423 StPO kann das Verfahren über die Einziehung abgetrennt werden.
- In § 76a StGB ist die besondere Verfahrensform der selbständigen Einziehung geregelt.
- Anstatt eine gerichtliche Entscheidung über die Einziehung herbeizuführen, kann der Eigentümer auch sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung erklären. Hierdurch wird unwiderruflich auf etwaige Herausgabeansprüche verzichtet. Ein förmliches Einziehungsverfahren wird damit obsolet.
Was sind Taterträge?
- Die Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 StGB verfolgt den Zweck, unrechtmäßige Vermögensverschiebungen durch Vermögensabschöpfung wieder auszugleichen.
- In § 73 Abs. 1 StGB ist die Einziehung des Erlangten geregelt, in § 73 Abs. 2 ist die Einziehung von Nutzungen und in § 73 Abs. 3 StGB die Einziehung von Surrogaten.
- Taterträge sind insbesondere die Beute oder der Lohn für die Tatbegehung. Bei mehreren Tatbeteiligten kommt eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht, wenn alle Beteiligten gemeinsame Mitverfügungsmacht gehabt haben.
- Wenn Betäubungsmittel gemeinsam verkauft werden, besteht unabhängig vom Verteilungsschlüssel am gesamten Erlös Mitverfügungsgewalt.
- In einer Handelskette kann die Summe der eingezogenen Beträge daher den maximalen Handelspreis der umgesetzten Betäubungsmittel um ein Vielfaches übersteigen.
- Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Einziehungsanordnung obligatorisch.
- Vermögenswerte zur Durchführung der Tat unterliegen aber der Einziehung von Tatmitteln gemäß § 74 StGB.
- In § 73d Abs. 1 StGB wird das Bruttoprinzip bei der Bestimmung des Wertes beschränkt, indem bestimmte Aufwendungen ausnahmsweise abgezogen werden können. Grundsätzlich ist bei Betäubungsmitteldelikten aber der gesamte Umsatz ohne Abzug von Einkaufspreis oder sonstigen Aufwendungen maßgeblich. Gewinnaussichten sind allerdings nicht einziehbar.
- Gemäß § 73d Abs. 2 StGB ist eine Schätzung zulässig.
- Das Erlangte muss aber zum Zeitpunkt der Entscheidung noch vorhanden sein. Ansonsten ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB zu prüfen.
- Im Erkenntnisverfahren kann sich ein Beteiligter nicht auf eine etwaige Entreicherung berufen.
- Die Vollstreckung unterbleibt jedoch bei Einziehungen, die sich auf Geldzahlungen richten gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StPO, soweit der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist.
- Maßgeblich ist der Verkehrswert abzüglich etwaiger Belastungen.
- Umstritten ist, ob die Vermutung, dass der Wert des Erlangten noch im Vermögen enthalten ist, widerlegt werden kann.
- Eine Einziehung ist nicht bereits dann schon unverhältnismäßig gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 Alt. 2 StPO, wenn die Vollstreckung den Betroffenen vermögenslos machen würde. Denn ein bemakeltes Vermögen wird auch mit Blick auf den Resozialisierungsgedanken nicht als erhaltenswert angesehen.
- Im Erkenntnisverfahren kommt es auch nicht darauf an, dass der Einziehungsadressat Eigentümer oder Inhaber des Einziehungsgegenstandes ist. Maßgeblich ist nur die tatsächliche Verfügungsgewalt.
Erweiterte Einziehung
- Wenn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zwar erwiesen ist, dass der Täter oder Teilnehmer Gegenstände aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat, aber auch nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht geklärt werden kann, ob die Gegenstände aus den angeklagten oder anderen Taten herrühren, wird gemäß § 73a StGB die erweiterte Einziehung von Taterträgen angeordnet.
- Für die Annahme der deliktischen Herkunft muss die Erwerbstat nicht konkretisierbar sein.
- Wichtige Faktoren für die Überzeugungsbildung sind das Verhältnis zwischen Wert des Gegenstanden und legalen Einkünften des Beteiligten.
- Die in § 437 StPO genannten Umstände können auch im Übrigen herangezogen werden.
- Gemäß § 76b StGB muss die Erwerbstat nicht verfolgbar sein.
Einziehung bei anderen
- Im Betäubungsmittelstrafrecht wird ein Drittbegünstigter oftmals bösgläubig sein und macht sich daher wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB strafbar, sodass gegen ihn eine Einziehungsanordnung nach § 73 StGB möglich ist.
- Im Übrigen findet § 73b StGB Anwendung.
Einziehung Wert
- Wenn der Einziehungsgegenstand zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, kommt eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB in Betracht.
- Gemäß § 76 StGB ist auch eine nachträgliche Anordnung zulässig.
Was sind Tatprodukte, Tatmittel, Tatobjekte?
- Die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern nach § 74 StGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
- Diese Form der Einziehung ist eine Nebenstrafe und deswegen Teil der Strafzumessung.
- Tatprodukte gemäß § 74 Abs. 1 StGB sind unmittelbar durch die Tat hervorgebracht. Die Tatsache, dass sie durch die Tat erlang erlangt sind, reicht nicht aus.
- Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 StGB sind Gegenstände, die zur Tatbegehung oder Tatvorbereitung gebraucht worden sind oder bestimmt gewesen sind und deren Verwendung die Tat gefördert hat oder fördern sollte.
- Im Strafverfahren gegen den Verkäufer von Betäubungsmitteln kann sichergestelltes Geld nur dann als Tatmittel eingezogen werden, wenn der konkrete Geldbetrag bereits zur Begehung weiterer Drogengeschäfte, die ebenfalls angeklagte sind, verwendet werden sollte. Möglich ist aber auch eine erweiterte Einziehung von Taterträgen.
- Im Strafverfahren gegen den Käufer von Betäubungsmitteln kann das bei ihm oder beim Verkäufer sichergestellte Kaufgeld als Tatmittel eingezogen werden.
- Als Tatmittel kommen unter anderem außerdem in Betracht: Kraftfahrzeuge, Mobiltelefone, Streckmittel, Anbaugerätschaften, Laborgerätschaften, Verpackungsmaterial, Feinwaagen und Konsumutensilien. Es ist unschädlich, wenn das Tatmittel daneben auch zu legalen Zwecken verwendet wird.
- Gemäß § 74f StGB gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere bei werthaltigen Tatmitteln in Gestalt von Kraftfahrzeugen kann daher ein Absehen von der Einziehung geboten sein.
- Möglich ist es auch, die Einziehung vorzubehalten und von der Erfüllung weniger einschneidender Maßnahmen, die gleichermaßen geeignet sind, den Zweck der Einziehung zu erreichen, abhängig zu machen.
- Betäubungsmittel sind immer Tatobjekte gemäß § 74 Abs. 2 StGB. Das gilt auch für Betäubungsmittelimitate, nicht aber für Streckmittel.
- Betäubungsmittel stehen aber in der Regel nicht im Eigentum des Besitzers, sodass die Voraussetzungen von § 74 Abs. 3 StGB nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift ist eine Einziehung nämlich nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Tatbeteiligten gehören oder zustehen. Eigentumsrecht oder Inhaberschaft beurteilen sich nach bürgerlichem Recht.
- Bei mehreren Tatbeteiligten muss der Einziehungsgegenstand nicht dem gehören oder zustehen, der ihn benutzt, sofern der insoweit Berechtigte die Verwendung erlaubt hat.
- Über die §§ 33 BtMG, 74a StGB kann bei Betäubungsmitteln trotzdem die Einziehung angeordnet werden, auch gegenüber Dritten.
Einziehung Wert
- Wird der Einziehungsgegenstand durch den Täter oder Teilnehmer vor der gerichtlichen Entscheidung veräußert, verbraucht oder wird die Einziehung auf andere Weise vereitelt, kann gemäß § 74c StGB die Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatobjekten und Tatmitteln angeordnet werden.
- Zu Lasten Dritter ist diese Art der Einziehung unzulässig.
Was bedeutet Sicherungseinziehung?
- Bei der Sicherungseinziehung gemäß § 74b StGB ist es nicht erforderlich, dass der Tatbeteiligte schuldhaft gehandelt hat und Eigentümer oder Inhaber ist.
- Betäubungsmittel sind zum einen nach ihrer Art und nach den Umständen gefährlich. Zum anderen besteht auch die Gefahr, dass sie der Begehung rechtwidriger Taten dienen werden.
- Ein Kraftfahrzeug mit Schmuggelversteck begründet nur die Gefahr strafrechtswidriger Verwendung. Es müssen daher auch konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Gebrauch bestehen.
- Bei einer Sicherungseinziehung zu Lasten Dritter gemäß § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB greifen die Entschädigungsvorschriften in § 74b Abs. 2, 3 StGB.