Versuch
- Gemäß § 22 StGB beginnt der Versuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
- Voraussetzung ist ein Tatentschluss zur Verwirklichung aller objektiven und subjektiven deliktsspezifischen Tatbestandsmerkmale.
- Auch wenn noch kein Tatbestandsmerkmal verwirklicht worden ist, kann ein unmittelbares Ansetzen im Sinne eines Versuchsbeginns vorliegen, sofern vor Abschluss aller für den Eintritt des Taterfolges erforderlichen Handlungen das Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbetandes übergeht oder nach Abschluss der Handlungen mit einer Vollendung in einem überschaubaren Zeitraum zu rechnen ist.
- Dem Versuch können Vorbeitungshandlungen vorausgehen. Diese sind grundsätzlich straflos. Bei Verbrechen ist aber bereits der Versuch der Beteiligung gemäß § 30 StGB strafbewehrt.
- Gemäß § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch eines Verbrechens im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB immer strafbar, der Versuch eines Vergehens gemäß § 12 Abs. 2 StGB nur bei entsprechender gesetzlicher Regelung.
- Gemäß § 23 Abs. 3 StGB ist auch der untaugliche Versuch strafbar. Hiervon zu unterscheiden ist das straflose Wahndelikt.
- Bei Mittäterschaft beginnt der Versuch für alle Beteiligte, wenn auch nur einer von ihnen eine zum Gesamtplan gehörende Handlung vornimmt und damit nach der Vorstellung aller die Ausführungsphase beginnt.
Rücktritt
- Ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 StGB setzt voraus, dass das Delikt gemäß den §§ 22, 23 StGB versucht, aber nicht vollendet ist.
- Der Rücktritt bewirkt aber nur, dass der Täter nicht wegen der versuchten Straftat verurteilt wird. Sofern im Zusammenhang mit dem Versuch andere Delikte verwirklicht worden sind, verbleibt es bei einer Strafbarkeit wegen deren Vollendung.
- Ein versuchter Totschlag gemäß § 212 StGB StGB führt daher trotz Rücktritt zu einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB. Denn ein vorsätzliches Tötungsdelikt setzt zwingend das Durchlaufen des Versuchsstadiums eine Körperverletzungsdeliktes voraus.
Fehlgeschlagener Versuch?
- Ein Rücktritt gemäß § 24 StGB ist nur möglich, wenn der Versuch nicht fehlgeschlagen ist.
- Das ist der Fall, wenn der Täter erkennt oder nur irrig annimmt, dass die tatbestandliche Vollendung der geplanten Tat aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist.
- Im Übrigen hängen die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt davon ab, ob der Versuch unbeendet oder beendet ist.
Unbeendeter Versuch?
- Beim unbeendeten Versuch des Alleintäters genügt es gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB, wenn der Täter die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgibt.
- Ein Versuch ist unbeendet, wenn der Täter noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Vollendung des Deliktstatbestandes notwendig ist.
- Freiwilligkeit ist gegeben, wenn der Täter nicht aus heteronomen, sondern aus autonomen Motiven handelt. Insoweit ist unerheblich, ob das Rücktrittsmotiv sittlich billigenswert ist.
- Ein Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn das Delikt entgegen der Erwartung des Täters zur Vollendung gelangt.
Nach der Rechtsprechung des BGH (2 StR 284/
- wird die Freiwilligkeit eines Rücktritts vom unbeendeten Versuch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter nicht aus einem sittlich billigenswerten Motiv von weiteren Angriffen auf das Opfer absieht.
- Es ist beispielsweise unschädlich, wenn er lediglich sein weiteres Opfer nicht entkommen lassen will.
Nach der Rechtsprechung des BGH (2 StR 340/
- erfolgt die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch zwar auf Basis der letzten vom Täter vorgenommenen Ausführungshandlung.
- Der Rücktrittshorizont kann aber in engen Grenzen auch noch nachträglich in beide Richtungen korrigiert werden.
Beendeter Versuch?
- Beim beendeten Versuch muss der Täter gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB die Tat freiwillig verhindern.
- Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter bereits alles getan hat, was er nach seiner Vorstellung tun musste, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen.
- Die Gegenaktivität muss entweder ursächlich für das Ausbleiben geworden sein oder der Täter muss sich gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 StGB freiwillig und ernsthaft um die Erfolgsverhinderung bemüht haben.
Nach der Rechtsprechung des BGH (1 StR 58/
- ist ein beendeter Tötungsversuch gemäß den §§ 212, 24 StGB anzunehmen, wenn der Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines bisherigen Tuns macht.
- Für einen strafbefreienden Rücktritt muss der Täter dann den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen.
- Wenn sich der Täter keine Vorstellungen macht, muss diese gedankliche Indifferenz gegenüber dem von ihm bis dahin angestrebten oder doch zumindest billigend in Kauf genommenen Konsequenzen positiv festgestellt werden.
- Wenn zu den Gedanken des Täters keine Feststellungen getroffen werden können, ist nach dem Zweifelssatz ein unbeendeter Versuch anzunehmen. Es genügt dann allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung.
Nach der Rechtsprechung des BGH (1 StR 34/
- kommt ein Rücktritt vom beendeten Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder optimalste gewählt hat.
- muss sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten aber als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweisen.
- ist stets erforderlich, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt.
Rücktritt mehrere Tatbeteiligte?
- Wenn mehrere Beteiligte (Mittäter, Anstifter, Gehilfen) mitwirken, findet § 24 Abs. 2 StGB Anwendung.
- Wegen der gesteigerten Gefährlichkeit beim Handeln mehrerer Beteiligter wird nicht zwischen beendetem oder unbeendetem Versuch differenziert.
- Erforderlich sind immer freiwillige Aktivitäten zum Zwecke der Vollendungsverhinderung.
- Bei fehlender Verhinderungskausalität müssen ernsthafte Bemühungen vorliegen. Gleiches gilt, wenn die Tat unabhängig vom Beitrag des Versuchsbeteiligten begangen wird.
- Wenn der Taterfolg allein vom Beitrag eines Versuchsbeteiligten abhängig ist, genügt für diesen ausnahmsweise schlichte Passivität.
Mehraktiger Versuch?
- Beim mehraktigen Versuch kommt es darauf an, ob die späteren Akte mit dem ersten Versuchsgeschehen einen einheitlichen Gesamtvorgang bilden.
- Verbindendes Element ist der durchgehende Deliktswille innerhalb eines unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs.
- Die Handlungseinheit endet aber, wenn die Tat zwischen zwei Akten zum Fehlschlag geworden ist.
- Wenn der Täter erkennt oder annimmt, dass das Delikt überhaupt nicht oder nur mit Verzögerung oder nur mittels einer grundlegenden Tatplanänderung vollenden kann, ist jeder neue Angriff als neue selbständige Tat zu bewerten.
- Der Rücktrittshorizont des Täters kann sich bei fortbestehender Tatsituation ohne zeitliche oder situative Zäsur anhand der wahrgenommenen Wirklichkeit sowohl zu seinen Lasten als auch zu seinen Gunsten wieder verändern.
- Auch wenn der Täter durch einen Tötungsversuch bereits ein außertatbestandliches Ziel erreicht hat und ein Weiterhandeln daher für ihn sinnlos ist, liegt kein den Rücktritt hindernder Fehlschlag vor.
- Bei Tateinheit gemäß § 52 StGB ist der Rücktritt teilbar. Ein Teilrücktritt von der versuchten Qualifikation wird allerdings abgelehnt. Beim erfolgsqualifizierten Versuch ist ein Rücktritt dagegen möglich.
- Auch bei Tatmehrheit gemäß § 53 StGB kann bei einem nur zeitlichen Aufschub der Tatvollendung zunächst vom Versuch zurückgetreten werden, es sei denn die geplante Fortsetzung des Geschehens bildet mit dem bisherigen Geschehen eine natürliche Handlungseinheit.
- Beim Totschlag oder Mord durch Unterlassen gemäß § 13 StGB liegt immer ein beendeter Versuch vor. Die Erwägungen zum mehraktigen Versuchsgeschehen sind anwendbar.
Versuchte Beteiligung
- In § 30 StGB werden Vorstufen der Anstiftung, der Einzeltäterschaft und der Mittäterschaft zu einem Verbrechen gemäß § 12 Abs. 1 StGB als Versuch der Beteiligung unter Strafe gestellt.
- § 30 Abs. 1 S. 1 StGB erfasst jede Form der erfolglosen Anstiftung, sofern die Initiative vom Anstifter ausgeht.
- Wenn die Initiative vom Angestifteten ausgeht, ist § 30 Abs. 2 Alt. 2 StGB einschlägig.
- § 30 Abs. 2 Alt. 1 StGB behandelt das Sichbereiterklären des Einzeltäters zur Begehung eines Verbrechens, § 30 Abs. 2 Alt. 3 StGB die Verabredung.
- Die Vorschrift des § 31 StGB enthält eine eigene Regelung für den Rücktritt vom Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen.